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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Mutterleib hatte er sich zusammengekrümmt.
    »Wir haben Beruhigungsmittel verabreicht«, erklärte Dr. Brown. »Höchstdosierung. Aber das können wir nur kurze Zeit durchhalten, wenn wir ihren Organismus nicht nachhaltig schädigen wollen.«
    Paul schüttelte den Kopf. »Ich brauche Antworten, doch stattdessen bekomme ich weitere Fragen.«
    Dr. Brown nahm seine Brille ab und reinigte sie mit dem Zipfel seines Kittels. »Antworten auf derlei Fragen kann ich leider keine bieten. Das ist nicht mein Fachgebiet. Ich bin Mediziner. Meine Psychologie erstreckt sich allein auf Patientenbetreuung – ein aufmunterndes ›Das wird schon wieder‹, das ist auch schon alles. Und ehrlich gesagt, glaube ich, dass Dr. Phillips mit seinem Latein ebenfalls am Ende ist. Auch er hat außer Spekulationen keine Erklärung für den Zustand der beiden Astronauten. Phillips ist ein ausgezeichneter Verhaltenstherapeut, aber das Problem hier übersteigt seine Fähigkeiten. Hier sind Fachleute gefragt. Das ist nicht sein Gebiet. Wir haben keine Seeleningenieure, weswegen auch. Ich denke da an Brandon, Ben Faluta oder auch diese Shane aus Chicago.«
    »Ich glaube nicht, dass Traverston die Sache gern in den Medien aufbereitet sehen will«, seufzte Paul. »In den letzten Jahren ist der Enthusiasmus unserer Regierung und der Bevölkerung über die Raumfahrt deutlich gesunken. Wir müssen vorsichtig sein. Die Sache ist höchst sensibel. Wir sind hier bei der NASA und nicht bei irgendeiner Firma. Wir haben Vorschriften, die ich nicht einfach umgehen kann. Vor allem was die Hinzuziehung von Spezialisten anbelangt, die nicht dem Militär oder der Marine angehören.«
    Brown setzte seine Brille wieder auf. »Es ist Ihre Entscheidung. Sie müssen abwägen, was Sie für wichtiger einstufen. Die Geheimhaltung oder das Leben der beiden Astronauten. Ich kann nur beraten, und meine Meinung kennen Sie. Letztlich müssen Sie mit der Entscheidung leben.«
    Professor James Paul atmete tief ein. »Sie machen es einem nicht leicht.«
    Dr. Brown wies auf das Spiegelglas. »Ich möchte mit den beiden Jungs da drinnen unter keinen Umständen tauschen.«
    Professor Paul nickte. »Ich werde mir Ihren Vorschlag durch den Kopf gehen lassen.«
Südlich der Kaimaninseln, Karibik
    »Eis!«, rief Copilot Walters hysterisch. »Eisklumpen, so groß wie Tennisbälle!«
    Das Prasseln auf die Außenhaut der Fairchild nahm überhaupt kein Ende. Die Maschine verlor rasch an Vortrieb, und die extremen Konvektionswinde rissen das Flugzeug empor. Immer höher hinauf in die oberen Schichten. Ein weiterer dumpfer Knall übertönte das Surren des Warntons.
    »Unser Backbordtriebwerk ist ausgefallen!«, schrie Coldmann gegen den Lärm an. »Ich kann die Maschine nicht mehr halten. Wir schmieren ab!«
    Die Fairchild neigte sich auf die linke Seite und rollte über.
    Coldmann zerrte am Steuerrad und versuchte vergeblich, das Flugzeug zu stabilisieren. Mittlerweile zeigte der Höhenmesser 32000 Fuß an. Die instabile Maschine wirbelte durch die starke Aufwärtsströmung, und der Vortrieb ging gegen null.
    Walters wurde in seinen Sitz gepresst. Ängstlich blickte er aus dem Cockpitfenster.
    »Feuer!«, rief er. »Unser Triebwerk brennt.«
    »Wir müssen raus hier!«, antwortete Coldmann, doch Walters rührte sich nicht. Wie in Trance versunken, mit weit aufgerissenen Augen, starrte er in den grauen Wolkenwirbel.
    Coldmann rüttelte seinen Copiloten an der Schulter. »Was ist mit dir?«, brüllte er.
    »Da ist ein Schatten in den Wolken«, stammelte Walters. »Ich spüre es, dort draußen ist etwas. Es kommt auf uns zu. Es greift nach uns.«
    »Komm zu dir!«, brüllte Coldmann. »Jetzt ist nicht die Zeit für Hirngespinste, wir stürzen ab.«
    Erneut prallten dicke Eisklumpen gegen den Flugzeugrumpf. Die Seitenscheibe der Cockpitverglasung splitterte. Glassplitter drangen in das Innere und trafen Walters im Gesicht. Blut spritzte umher, und der laute Schmerzensschrei des Copiloten verklang im ohrenbetäubenden Lärm, der im Cockpit herrschte. Coldmann versuchte, seinen Gurt zu lösen, doch es gelang ihm nicht. Immer wieder drehte sich die Maschine wie ein Wurfpfeil um ihre Achse. Plötzlich wurde die Fairchild von einem starken Abwind erfasst. Das Rollen ging in einen rasanten Sturzflug über. Coldmann hatte vollkommen die Orientierung verloren. Die Wolken nahmen ihm jegliche Sicht, und die Zeiger der Instrumente drehten sich wild. Die Anzeige des Höhenmessers rotierte rasend schnell.

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