Die dritte Ebene
brauchen diese Stürme im Grunde genommen ebenso wie einen gewissen Treibhauseffekt, sonst lägen unsere durchschnittlichen Temperaturen unter minus zehn Grad Celsius.«
»Das heißt also, wir müssen weiterhin mit den Hurrikans leben.« Jennifer seufzte und leerte ihr Glas.
»Ich denke, wenn wir unser Frühwarnsystem immer weiter verdichten, dann sind wir bald in der Lage, die Bewegungen der Stürme auf den Punkt genau vorherzusagen. Bei den Tornados ist das ein erheblich größeres Problem. Mittlerweile sterben mehr Menschen an den Folgen eines Tornados als an denen eines Hurrikans, und das obwohl das Ausmaß eines Hurrikans um ein Vielfaches größer ist.«
»Und warum unternimmt man nichts gegen die Tornados?«
Wayne wies hinauf zum Himmel. Eine kleine weiße Wolke zog dort ihre Bahn über dem ansonsten strahlend blauen Himmel.
»Irgendwann trifft diese Wolke auf weitere Artgenossen und vereinigt sich«, erklärte Wayne. »In der Mitte dieser Wolkenfront wird ein kräftiger Aufwind aus feuchter Warmluft frei. Von außen strömen weitere Luftmassen in die Gewitterwolke oder den Cumulonimbus, wie wir Meteorologen sagen. Immer höher hebt sich die Wolke, und schließlich prallt die aufsteigende Luft mit der Tropopause zusammen. Der Aufwind im Inneren der Wolke dringt weit in die Tropopause, die Grenzschicht der Erdatmosphäre, ein. Die warme Luft beendet rasch die Konvektion, also die vertikale Luftbewegung, und die Gewitterwolke flacht zu einem breiten Schirm an der oberen Wettergrenze ab. Im oberen Bereich haben wir Eiskristalle, darunter Regentropfen, die für die Aufwinde schließlich zu schwer werden und als Regen zur Erde fallen. Das alles ist nicht weiter schlimm und gehört zur ganz normalen Klimaroutine unserer Natur. Luftaustausch, Abkühlung, Wassertransport – all das sind lebenswichtige Dinge für uns Menschen und die Flora und Fauna.
Nun kann es aber vorkommen, dass sich mehrere Gewitterwolken zu einer Gewitterfront zusammenschließen. Es entsteht eine Superzelle, aus der leicht ein Tornado erwachsen kann. Aber in achtzig Prozent aller Fälle löst sich das Gewitter nach einer gewissen Zeit auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass daraus ein Tornado entsteht, ist also eher gering. Wenn aber doch, dann geht alles rasend schnell. Wir können aber nicht bei jedem größeren Gewitter eine Tornadowarnung herausgeben. Das würde jedes Mal eine Hysterie in der Bevölkerung auslösen. Vor drei Jahren arbeitete ich bei einem Projekt mit, das sich Tornado Watch nannte. Es ging dabei um erd- und satellitengestützte Überwachung von Sturmfronten entlang der neuralgischen Entstehungszonen im Mittleren Westen. Doch leider überschritten wir recht bald das zur Verfügung stehende Budget, und das Projekt wurde auf Eis gelegt, obwohl wir erst knapp die Hälfte der geplanten Messstationen errichtet hatten. Manchmal gibt es eben auch andere als die natürlichen Grenzen.«
Gerade als Jennifer antworten wollte, klingelte ihr Handy in der Handtasche. Ihre Antworten waren knapp, doch ihr Gesichtsausdruck verriet ihre Besorgnis. Als sie das Gespräch beendete, schaute Wayne ihr fragend ins Gesicht.
»Ist etwas passiert?«, fragte er.
Jennifer nickte. »Das war meine Redaktion«, erwiderte sie. »Unterhalb von Barbados braut sich ein gewaltiger Wirbelsturm zusammen. Vor der mexikanischen Küste ebenfalls. Sie vermissen ein Flugzeug des Wetterdienstes aus Corpus Christi. Ich soll runterfliegen, um einen Bericht darüber zu schreiben. Mein Flug geht bereits in einer Stunde.«
»Ein Wetterflugzeug aus Corpus Christi«, murmelte Wayne nachdenklich. »Das muss eine Maschine der NOAA gewesen sein. Weiß man schon Genaueres?«
Jennifer schüttelte den Kopf. »Wegen des Sturms können die Schiffe nicht auslaufen. Zwei Flugzeuge der Küstenwache sind auf dem Weg.«
»Sehen wir uns wieder?«, fragte Wayne und warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
»Zwischen Beaumont und Washington liegen zwar Welten«, sagte Jennifer, »aber ich würde dich gern wiedersehen.«
»Ich dich auch. Lass mich dich zum Flughafen bringen«, erwiderte Wayne. »Und du kannst dir sicher sein, dass ich mich bei dir melde.«
»Was wirst du jetzt tun?«
»Ich fliege sofort zurück nach Camp Springs, um mich über die Lage zu informieren.«
Gemeinsam verließen sie das kleine Café an der West Side und fuhren mit einem Taxi zum Flughafen.
Long Point View, Lakeland, Ontario, Kanada
Brian Saint-Claire saß vor seinem Haus und rauchte eine Zigarette. Die
Weitere Kostenlose Bücher