Die dritte Ebene
meinst du das?«
»Die Tränen Marias«, bestätigte Porky.
»Was soll das, bist du jetzt unter die Wundergläubigen gegangen?«
»Vor zwei Wochen hatten Kinder, die in der Kirche beteten, eine Marienerscheinung. Die Mutter Jesu sprach zu ihnen und verkündigte, dass eine große Katastrophe über die Menschen hereinbreche. Nachdem die Erscheinung wieder verschwunden war, tropften von dem Altarbild blutige Tränen herab.«
»Und du glaubst diesen Blödsinn?«, fragte Brian. »Diese Aufnahme sieht mir nicht gerade beweiskräftig aus.«
Porky wandte sich um und setzte sich in einen Sessel. »Das ist nicht der Punkt. Du hast doch bestimmt schon von diesem Schriftsteller gehört, der über die Kirche schreibt und einen Bestseller nach dem anderen landet. Sakrileg war sein größter Erfolg. Es ist ein absoluter Reißer. Harbon meint, dass wir die Geschichte mit der Marienerscheinung als Leitartikel bringen sollen. Es würde unserer Auflage bestimmt nicht schaden.«
»Und wo ist diese Kirche?«
»Sie steht in Venedig, unweit des Markusplatzes.«
»Weißt du, als ich vor sieben Jahren anfing, für das Magazin zu schreiben, da hatte ich irgendwie das Gefühl, dass es darum geht, die Wahrheit ans Licht zu bringen, und zwar mittels fundierter Recherchen. Aber in letzter Zeit werde ich das Gefühl nicht los, dass nur noch eins zählt: die Auflage. Ich bin kein Sensationsjournalist, und ich schreibe auch keine Romane. Ich halte mich nach wie vor für einen Wissenschaftler.«
Porky wischte Brians Einwurf mit einer Handbewegung weg. »Damals war alles anders. Wir waren unabhängig und hatten einen Verleger, dem es um Hintergründe ging. Aber Thomason ist gestorben, und das Blatt gehört mittlerweile zu einem Medienkonzern. Und da zählt nun mal die Auflage. Damals haben wir knapp fünftausend Exemplare an esoterische Leser verkauft, eine Auflage, die unsere Zeitschrift gerade so am Leben hielt. Heute haben wir eine Auflage von 150000 und sind beinahe an jedem Kiosk hier im Osten erhältlich. Die Zeiten haben sich geändert.«
»Nicht nur die Zeiten«, entgegnete Brian. »Auch du hast dich verändert.«
»Du hast gut reden«, erwiderte Porky. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du hast eine reiche Familie und ein dickes Konto. Ich habe nur diesen einen Job, und das Magazin ist mein Leben. Von dem Gehalt finanziere ich meine Miete, mein Essen, und ich kaufe mir meine Anzüge davon, auch wenn sie dir nicht gefallen. Wo, glaubst du, käme ich unter, wenn mich Harbon rauswirft? Harbon will, dass du zusammen mit Leon und Gina nach Venedig fliegst und die Titelstory schreibst. Es ist ihm egal, ob es sich bei der Geschichte um Lüge oder Wahrheit handelt. Ihm kommt es nur darauf an, dass sich unser Blatt verkauft. Und angesichts des neuerlichen Kirchenbooms in den Medien glaubt er, dass sich genau mit diesem Thema Geld verdienen lässt. Ich habe ihm gesagt, dass du bestimmt ablehnen würdest – weißt du, was er geantwortet hat?«
Brian zuckte mit den Schultern.
»Er sagte, dass ein Chefredakteur seine Mannschaft im Griff haben muss, sonst kann er sich als Eisverkäufer an den Seen versuchen. Das hat er geantwortet, bevor er mich aus seinem Büro warf.«
»Ausgerechnet Leon, dieser Spinner«, murmelte Brian. »Der Kerl bringt nur Schwierigkeiten.«
»Aber er ist ein hervorragender Chemiker, wenn er nicht trinkt. Und in letzter Zeit ist er trocken, seit ich ihm mit dem Rauswurf gedroht habe.«
Brian überlegte.
»Tu es für mich, Partner«, sagte Porky. »Du schuldest mir noch immer einen Gefallen. Erinnerst du dich an Toledo?«
»Fang nicht schon wieder damit an.«
»Sie hätte dich noch immer in ihren Fängen, wenn ich nicht gewesen wäre.«
Brian verzog das Gesicht. »Aber danach sind wir endgültig quitt.«
»Mein Wort darauf.« Porky streckte Brian die Hand entgegen.
Brian zögerte. »Wann soll es losgehen?«
»Es ist alles vorbereitet. Ihr fliegt übermorgen von Detroit aus. Von Rom nehmt ihr einen Inlandsflug nach Venedig. Ich habe direkt neben der Kirche im Hotel Orion Zimmer für euch reservieren lassen. Es gibt ausreichend Spesen, und du kommst wieder hinaus in die weite Welt. Italien, Venedig, die Stadt der Liebe. Das klingt doch verlockend.«
»Habe ich eigentlich eine Wahl?«
»Wenn du einen sehr guten Freund retten willst, dann gibt es nur eine Entscheidung«, antwortete Porky.
Brian warf einen letzten Blick auf den Bildschirm, auf dem noch immer das Bildnis der Mutter Gottes flimmerte.
»Also
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