Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
Vom Netzwerk:
Sonne färbte sich in der Abenddämmerung rot. In einem Eimer neben der Bank schwammen zwei dicke Forellen, und Brian freute sich auf einen ruhigen und beschaulichen Abend.
    Den ganzen Tag hatte er auf dem See geangelt. Vor sechs Jahren hatte er das Haus in der Abgeschiedenheit abseits von Port Rowan gekauft. Umgeben von Wasser, hohen Bäumen und grünen saftigen Wiesen fühlte er sich wohl. Hier tankte er neue Energie, bevor er wieder in die Welt hinauszog, um unerklärlichen Phänomenen hinterherzujagen und darüber seine Reportagen zu verfassen. Eigentlich war die Berichterstattung mehr Hobby als Beruf, Journalismus hatte er nie erlernt. Nach seinem Studium an der Universität in Chicago hatte er eine Zeit lang als Dozent dort gearbeitet. Heute war er froh darüber, dass er die Universität hinter sich gelassen hatte. Aus ihm war ein Abenteurer und Weltenbummler geworden, der ein unstetes Leben führte. Als einziger Sohn eines reichen Kaufmanns aus Quebec war er nicht auf einen Brotberuf angewiesen. Das Investmentdepot, das sein Vater für ihn eingerichtet hatte, war mittlerweile zu einer stattlichen Summe angewachsen. Brian drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. Langsam verspürte er Hunger.
    Plötzlich hörte er Motorenlärm in der Dämmerung. Ein weißes Mercedes-Cabrio fuhr den holperigen Feldweg herauf und hielt direkt vor dem Haus.
    »Ich ruiniere mir jedes Mal den Lack, wenn ich zu dir herausfahre«, schimpfte Porky, nachdem er ausgestiegen war. »Wann lässt du endlich diesen Weg asphaltieren – oder wie wär’s, wenn du einfach mal ans Telefon gingst?«
    Porky hieß mit bürgerlichem Namen Gerad Pokarev und war Chefredakteur des ESO-Terra- Magazins; wie immer trug er einen hellen, zerknitterten Anzug und trotz der anbrechenden Dunkelheit seine obligatorische Ray-Ban-Sonnenbrille.
    »Was führt einen Stadtmenschen so spät am Tag mitten in die Wildnis?«, begrüßte Brian seinen unverhofften Gast.
    »Hast du ein Bier? Meine Kehle ist total ausgetrocknet.«
    Brian verschwand im Haus.
    Porky ließ sich mit einem Seufzer auf die Bank der Veranda fallen. »Den ganzen Tag versuche ich dich schon zu erreichen!«, rief er ihm nach. »Hast du der Zivilisation schon den Rücken zugekehrt, oder bist du für diese Welt noch zu sprechen?«
    Brian kam mit zwei Flaschen zurück, öffnete sie und setzte sich neben Porky, ohne sich zu einer Antwort herabzulassen.
    »Mein Gott, diese Stille hier würde mich umbringen. Was treibst du nur den ganzen Tag in diesem Dschungel?«
    »Ich war fischen.« Brian wies auf den blauen Eimer neben sich. »Hast du Hunger?«
    »Gott behüte«, wehrte Porky ab. »Ich esse nichts, das sich noch bewegt. Ich stehe mehr auf Fleisch, und zwar tot, klein gehackt und mit Tomatentunke beträufelt zwischen zwei Brötchenhälften, verstehst du?«
    Brian musterte seinen Besucher. »Ein wenig fettarme Ernährung stünde dir gut zu Gesicht. Also, weshalb bist du hier? Bestimmt nicht, um dich mit einem guten Freund zu treffen.«
    Porky nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. »Ich brauche dich.«
    »Du brauchst mich?«
    Porky richtete sich auf. »Dein Bericht über diese Indianer hat uns gute Kritiken eingebracht. Harbon ist sehr zufrieden mit unserer Arbeit. Er glaubt, dass wir die Auflage noch steigern können, wenn wir uns am modernen Marketing orientieren und uns vorwiegend auf medienwirksame Leitthemen spezialisieren.«
    »Und das heißt?«
    Porky zog eine DVD aus seiner Jackentasche.
    »Was ist das?«
    »Ein neuer Auftrag. Schau es dir einmal an. Du hast doch einen Player, oder?«
    Brian nahm die DVD und verschwand im Haus. Porky leerte seine Bierflasche und folgte ihm.
    Brian legte die silberne Scheibe in den DVD-Spieler und schaltete den Fernseher ein. Die graue Fassade einer Kirche flackerte über den Bildschirm. Die Aufnahme war unscharf, wackelte und zitterte, sodass nur wenig zu erkennen war. Schließlich verdunkelte sich der Bildschirm, und die Kamera schwenkte ins Innere der Kirche. Ein von Säulen umrahmtes Altarbild war zu erkennen. Es zeigte Maria und Jesus, der neben ihr kniete und ihr die Hand auflegte. Wackelnd zoomte der Kameramann auf das Bildnis der Maria.
    »Da, siehst du es?«, rief Porky.
    »Was soll ich sehen?«
    Porky stellte sich neben den Fernseher und wies auf das Gesicht der Mutter Gottes.
    »Drück doch mal die Pausetaste!«
    Brian kam der Aufforderung nach und trat neben Porky vor den Fernsehapparat.
    »Da läuft eine dunkle Spur vom Auge Marias hinunter,

Weitere Kostenlose Bücher