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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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referiert. Jetzt war er erschöpft und wollte nur noch nach Hause. Paul hasste diese repräsentativen Termine. Trotz seiner Tätigkeit als Leiter des Raumfahrtprogramms, bei der solcherlei Auftritte zum Alltag gehörten, war er dennoch Techniker geblieben. Im Kreise seiner Mitarbeiter und in den Labors und Werkstätten des Zentrums fühlte er sich am wohlsten. Draußen wurde es dunkel, und der Gewittersturm, der seit drei Stunden über Cape Canaveral wütete, schwächte sich langsam ab. Einen kurzen Moment lang überlegte Professor Paul, ob er nicht noch die Unterlagen für das neue Satellitenantriebssystem mit nach Hause nehmen sollte, doch er entschied sich anders, den heutigen Abend wollte er genießen. Ein Gläschen Wein bei Kerzenschein mit Amanda. Es war Tage her, seit er das letzte Mal seine Frau gesehen und sich mit ihr unterhalten hatte. Amanda wusste, dass es Phasen gab, in denen ihr Mann in Arbeit zu ertrinken drohte und keine Zeit für die Familie hatte. Sie hatte sich daran gewöhnt. Einen hochrangigen Job wie den des verantwortlichen Leiters des NASA-Spaceshuttle-Programms bekam man nicht geschenkt, den musste man sich verdienen.
    Professor Paul legte die Akten zurück auf den Schreibtisch und ging zur Tür, als es plötzlich klopfte. Paul schaute auf die Uhr. Es war kurz vor zehn, wer konnte um diese Zeit noch mit ihm sprechen wollen. Er krächzte ein heiseres »Herein«. Seine Stimme war angeschlagen von dem vielen Reden.
    Donald Ringwood öffnete die Tür und betrat das Büro. Ringwood war als Personalchef einer der stellvertretenden Leiter. Er hatte an der Eliteuniversität Harvard Betriebswirtschaft studiert und war als Seiteneinsteiger über politische Wege zur NASA gekommen. Ringwood war einen ganzen Kopf kleiner als Paul und hatte eine Glatze. Seine grauen, monotonen Anzüge und die Tatsache, dass er das Hemd bis oben hin geschlossen trug, verstärkten den Eindruck, man habe einen Buchhalter vor sich.
    »Ringwood«, grüßte Professor Paul seinen späten Besucher. »Was machen Sie noch so spät hier?«
    »Rechnungen und Bilanzen«, antwortete Ringwood.
    James Paul lächelte gequält. Für ihn war Ringwood ein Bürokrat, ein notwendiges Übel, das zufällig dasselbe Bürohaus mit ihm teilte. Pauls Sympathien für Donald Ringwood hielten sich in Grenzen. In ganz engen Grenzen sogar. »Gibt es ein Problem?«, fragte Paul und griff nach seinem Regenmantel als unmissverständliches Zeichen, das Feld räumen zu wollen.
    Doch Donald Ringwood ignorierte die Geste und reichte ihm ein Schreiben. »Dieses Schreiben von der Universität Chicago – eine Kostendeckungsübernahmeerklärung, die wir gegenzeichnen sollen – ist heute auf meinen Schreibtisch geflattert.« Ringwood schob sich eine schmale Lesebrille auf die Nase. »Es geht hier um die Auslösung für einen gewissen Professor Doktor Thomas Brandon, Psychiater und Psychologe. Ich wusste nicht, dass wir eine Fremdkraft angefordert hätten.«
    »Brandon«, sagte Paul. »Das geht schon in Ordnung. Ich habe ihn angefordert.«
    »Sie?«
    Paul reichte ihm das Schreiben zurück. »Ja, ich. Etwas dagegen?«
    »Es geht hier um Reisekosten und Auslösegelder in Höhe von 23000 Dollar. Ich finde schon, dass es hierfür eine plausible Erklärung geben muss. Schließlich unterschreibe ich für die Richtigkeit der Ausgaben.«
    »Und damit haben Sie wohl ein Problem?«, entgegnete James Paul. »Aber ich sage es Ihnen gleich, in nächster Zeit werden Ihnen noch weitere dieser Schreiben auf den Schreibtisch flattern. Leiten Sie einfach die Rechnungen an mich weiter. Ich unterschreibe selbst.«
    »Das ist nicht möglich!«, antwortete Ringwood wie aus der Pistole geschossen. »Sie überschreiten Ihre Kompetenz. Unser Budget für administrative Ausgaben ist begrenzt. Da müsste ich zuerst grünes Licht von Direktor Traverston bekommen.«
    Professor James Paul blitzte Ringwood ärgerlich an. »Ich weiß nicht, ob es Ihnen klar ist, aber ich bin der Leiter dieser Abteilung. Und ich denke, dass ich durchaus die Kompetenz besitze, um über die Gelder zu verfügen. Außerdem hat mich Direktor Traverston längst autorisiert.«
    »Um welchen Bereich geht es denn überhaupt?«, fragte Ringwood.
    Ärgerlich warf Paul seinen Regenmantel über den Sessel. »Jetzt hören Sie mir einmal zu«, sagte er laut. »Dort drüben im Hospital liegen zwei Astronauten, die irgendeine Art von Psychose aus dem All mitgebracht haben. Die Männer wurden ausgewählt, weil sie zu den Besten

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