Die dritte Ebene
Ich denke, Sie sollten es sich zumindest einmal anhören. Ich kenne den Mann, wenn er um Hilfe bittet, dann ist es sehr ernst.«
Wayne dachte einen Augenblick nach. »Dienstag, sagten Sie?«
»Dienstag um elf Uhr im Kennedy Space Center. Flug, Abholung und Unterkunft sind organisiert, ein Ticket ist hinterlegt. Sie müssen nur noch die Koffer packen.«
»Eigentlich wollten wir in der nächsten Woche mit der Installation der Stationen beginnen«, überlegte Chang laut.
»Mensch, Wayne, ein Job bei der NASA«, meldete sich Schneider zu Wort. »Da würde ich keine Sekunde überlegen. Schließlich genießen die noch immer einen ausgezeichneten Ruf, auch wenn in der letzten Zeit ein paar Dinge schiefgelaufen sind.«
»Schneider hat recht. Diese Mission wird Ihrer Reputation bestimmt nicht schaden.«
Wayne Chang erhob sich. »Schon gut, schon gut. Ich gehe ja, wenn ihr mich unbedingt loswerden wollt …«
Socorro, New Mexico
Sheriff Dwain Hamiltons Ärger war verflogen. Den Besuch von Captain Howard von der State Police hatte er längst vergessen. Hamilton hielt nicht viel vom Captain. Seit seiner Wahl vor drei Jahren, als Howard als einziger Gegenkandidat antrat und letztlich die Segel streichen musste, war ihr Verhältnis gespannt. Howard machte Hamiltons Onkel, den Senator, für seine Niederlage verantwortlich. Auch wenn dies gar nicht stimmte, so erzählte Howard jedem, dass er nicht an Dwain Hamilton, sondern an dessen Onkel, dem Senator Joseph F. Hamilton, gescheitert war.
Inzwischen hatte er sich von seinem Kontaktmann bei der State Police eine Kopie der kompletten Akte des tot aufgefundenen jungen Mannes vom Coward Trail besorgt. Es wurmte ihn, dass mitten in seinem County die Leiche eines Mannes gefunden wurde und er weder wusste, wer der Mann war, noch unter welchen Umständen er zu Tode kam. Wenige Zentimeter hatten entschieden, dass der Fall in den Zuständigkeitsbereich der State Police gehörte und nicht in seinen. Doch das würde ihn nicht daran hindern, seine Privatermittlungen fortzuführen. Howard war ein Schwachkopf, der nicht einmal wusste, dass seine Frau es mit einem anderen trieb, während er im Büro saß und das Geld verdiente. Dabei war das längst ein offenes Geheimnis.
Für einen kurzen Moment dachte Dwain an seine eigene Frau, die ihn vor ein paar Monaten verlassen hatte. Von Anfang an hatte sie sich in der kleinen Stadt am Rio Grande unglücklich gefühlt. Vor seiner Wahl zum Sheriff hatte Dwain eine Ranch in der Nähe der Cave Pearls bei Carlsbad verwaltet, und Margo hatte die gewohnte Umgebung und vor allem ihre geliebten Pferde nie verlassen wollen. Sie war gegen seine Bewerbung als Sheriff im Socorro County gewesen. Schließlich hatte Dwain seinen Kopf durchgesetzt, und Margo war mit ihm gegangen. Doch nun war sie weg, endgültig, wie es schien.
Der Sheriff atmete tief ein und blätterte in der Aktenkopie, die vor ihm lag. Unknown – Coward Trail, stand auf dem Einband. Dwain schlug die erste Seite auf. Eine kurze Zusammenfassung des Sachverhalts. Das Ende eines Menschenlebens in knappen, sachlichen Worten. Auf den folgenden Seiten Fotos vom Fundort und der Leiche, der Spurensicherungsbericht und die Protokolle von Zeugenvernehmungen und zum Schluss der ärztliche Bericht des Leichenbeschauers und der Obduktionsbericht der Gerichtsmedizin. Insgesamt 122 Seiten. Kein Name des Toten, kein Hintergrund, keine Lebensgeschichte. Unknown – nähere Umstände nicht bekannt. Dwains ungeordnete Gedanken konzentrierten sich langsam auf eine einzige Frage: Wer war der Tote vom Coward Trail?
Er trug eine Schlafanzughose, das hieß, er konnte kein Landstreicher sein, denn sonst wäre er sicherlich in irgendeiner Stadt aufgefallen und wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses vom Sheriff verwarnt worden. Er trug ein Sweatshirt mit der Aufschrift POW. Es war, das hatte Dwain mittlerweile in Erfahrung gebracht, tatsächlich eines der Shirts, mit denen die Army ihre Kriegsgefangenen in den Lagern ausstattete. Zwar gab es ähnliche Shirts im Handel zu kaufen, jedoch war die Qualität des Shirts, das der Tote trug, mit der des Militärs identisch.
Verwunderlich und mysteriös waren die Male am Körper des Toten, die offensichtlich von einer ärztlichen Behandlung herrührten. Deutliche Male am Brustkorb und am Kopf, die von Elektroden stammen mussten. Doch in den umliegenden Krankenhäusern fehlte kein Patient.
Noch mysteriöser war die mutmaßliche Todesursache, die in einem toxikologischen
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