Die dritte Ebene
gehören. Sie waren furchtlos, versiert und intelligent. Und nun liegen sie da wie ein Häufchen Elend. Wie ängstliche Tiere kauern sie in ihren Ecken. Und jeden Tag erhalten sie zwei Spritzen mit einem starken Beruhigungsmittel. Das kann so nicht weitergehen. Genau aus diesem Grund habe ich die führenden Köpfe der betreffenden Fachbereiche angefordert. Ich will den Dingen auf den Grund gehen.«
»Aber wir haben doch genügend Ärzte und Spezialisten …«
»Wir haben eine Abteilung für Knochenbrüche und Charakterschulung, aber keine Spezialisten, die im Falle der beiden Astronauten gefragt sind. Ich will die Spitzenklasse, die an den besten Universitäten unseres Landes forscht. Doktor Brown selbst riet mir dazu, Fachleute hinzuzuziehen. Ich habe es mir lange überlegt. Aber ich sage Ihnen etwas, Ringwood. Diese braven jungen Männer haben für uns ihren Arsch riskiert, da ist es nur recht und billig, dass wir ihnen jegliche Hilfe zuteilwerden lassen, die wir kriegen können. Und noch etwas. Ich scheiße auf Ihre Dollars. Sie tun genau das, was ich Ihnen sage. Ich unterschreibe die Rechnungen, und Sie werden die betreffenden Beträge auszahlen. Jeden einzelnen Cent. Und nun, guten Abend.«
Professor James Paul hatte sich in Rage geredet. Er griff nach seinem Regenmantel und stürmte zur Tür und hinaus auf den Flur.
Die Tür fiel lautstark ins Schloss. Donald Ringwood stand verdattert in der Mitte des Zimmers, das Schreiben aus Chicago noch immer in der Hand.
Redaktion ESO-Terra, Cleveland, Ohio
»Ich habe dir ja gesagt, mit Leon gibt es nur Schwierigkeiten«, sagte Brian ungehalten. »Es ist das letzte Mal, dass ich so eine Scheiße mitmache. Ich dachte schon, die lassen mich in diesem Dreckloch verrecken.«
»Immerhin hat es sich gelohnt«, antwortete Porky. »Schließlich hat Leon mit seiner Analyse den Schwindel mit diesen Tränen aufgedeckt.«
»Ja, das hat er, aber zu welchem Preis.«
Brian, Gina und Leon waren vor drei Stunden in Detroit gelandet. Während des Flugs hatte Brian kein Wort mit Leon gesprochen. Gina hatte ihm berichtet, dass Leon oberhalb des Altarbilds eine schmale Ritze im Übergang vom Marmor zum Stuck gefunden habe, aus der das Rostwasser gedrungen sei. Offenbar hatte der Baumeister des Altars die Verbindung der beiden unterschiedlichen Materialien mit kleinen Eisenstiften gesichert.
Aufgrund der Feuchtigkeit in der Lagunenstadt hatte sich die Ritze zusehends vergrößert, und an den Nägeln hatte sich Kondenswasser gesammelt. Auf dem Altarbild darunter hatte sich eine rostige Spur gebildet, die aussah, als würde sie aus den Augen der Muttergottes dringen.
Für Brian war die Aufdeckung des Schwindels nur ein schwacher Trost, waren er und seine Begleiter doch offiziell des Landes verwiesen worden. Letztlich hatten sie ihre Freilassung nur Pater Francesco zu verdanken, der keine Anzeige erstattet, sondern die Aussage Brians bestätigt hatte. Obwohl es zu keiner Anklage kam, hatte der Kommissar die Ausweisung über die Ausländerbehörde veranlasst. Quasi als kleine Genugtuung, da er die vermeintlichen Kunsträuber widerstrebend hatte freilassen müssen.
Brian dachte an die Worte des Geistlichen. »Ich werde dir übermorgen meine Reportage zukommen lassen«, sagte er zu Porky. »Aber eine Enthüllungsgeschichte darfst du nicht erwarten. Ich werde die Sache in der Schwebe halten und ein wenig Hintergrundwissen über die unzähligen maroden Kirchen im alten Europa einarbeiten. Das muss reichen.«
»Irrtum, Sportsfreund«, entgegnete Porky. »Jetzt, wo die Sache klar ist, werden wir sie ans Kreuz nageln. Den Alten und den Pater mitsamt seiner Kirche. Das ist ein gefundenes Fressen für unsere Leser, findest du nicht?«
Brian schüttelte den Kopf. »Nein, genau das werden wir nicht tun.«
»Und wieso nicht?«
»Weil es Menschen sind. Der Alte, die Kinder und der Pater. Es sind Menschen, die einen Fehler gemacht haben. Sie taten es, weil sie ihre Kirche erhalten wollen und weil es Wahrheiten gibt, hinter die wir niemals blicken können.«
Porky klopfte mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Der Pfaffe hat dich ganz schön eingewickelt. Sagtest du nicht, dass du dich dem Magazin angeschlossen hast, weil es dir um die Wahrheitsfindung geht? Weil du die Scharlatane und Betrüger entlarven willst. Waren das nicht deine Worte?«
»Ansichten können sich ändern.«
»Aber eine Lüge wird nicht zur Wahrheit, nur weil man die Umstände versteht.«
Brian blickte zu Boden.
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