Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter
Autoverleihern. Viele dieser Autoflotten bestehen darüber hinaus noch aus den energetisch effizientesten Modellen, die auf dem Markt sind.
I-Go in Chicago bietet sogar einen innovativen Internet-Service, der es seinen Mitgliedern erlaubt, in ihre Reisen von A nach B eine Reihe verschiedener Transportmöglichkeiten zu integrieren. So kann man seine Reise zum Beispiel per Bus oder Bahn beginnen, dann auf ein Fahrrad umsteigen und schließlich den Rest der Reise mit dem Auto zurücklegen. Ziel dabei ist, es die gefahrenen Automeilen und damit seinen CO 2 -Ausstoß zu reduzieren.
Man schätzt, dass jedes Fahrzeug einer Carsharing-Vereinigung bis zu 20 Pkws von der Straße bringt. Beteiligte berichten, dass sie in der Regel ihre mit dem Auto zurückgelegten Meilen um etwa 44 Prozent reduzieren. Die Reduktion der CO 2 -Werte kann durchaus drastisch ausfallen. Commonauto, ein kanadischer Carsharing-Service in Quebec, berichtet von 13 000 Tonnen CO 2 , die seine 11 000 Mitglieder der Umwelt ersparen. Eine Studie in Europa kam zu dem Schluss, dass Carsharing die CO 2 -Emission um bis zu 50 Prozent verringern kann. 26
Zipcar, der größte Carsharing-Service der Welt, ist ein kommerzielles Unternehmen. 2000 gegründet, hat die Firma nach nur zehn Jahren bereits Hunderttausende von Mitgliedern. Es gibt mehrere Tausend |154| Zipcar-Standorte rund um die Welt; zur Verfügung stehen über 8000 Fahrzeuge. Die Firma, deren Einkünfte 2009 bei mehr als 130 Millionen Dollar lagen, wächst mit einer phänomenalen Zuwachsrate von 30 Prozent im Jahr. 2010 hat Zipcar an seinem Standort San Francisco ein Pilotprojekt mit Hybridfahrzeugen begonnen. Das Unternehmen ist besonders bei der umweltbewussten Millennium-Generation beliebt geworden, deren Zipcar-Mitglieder sich als »Zipsters« bezeichnen. 27
Mit zunehmender Verbreitung von DIR-Infrastruktur und erneuerbaren Energien werden Carsharing-Services wie Zipcar auch grünen Strom lokal für Steckdosenautos anbieten können. Carsharing-Gemeinschaften werden wahrscheinlich eine wesentliche Alternative zum konventionellen Modell des Autokaufs auf dem Marktplatz, vor allem im dicht besiedelten städtischen Raum, wo Unterhaltskosten für ein Auto, das man nur selten benutzt, wenig sinnvoll sind.
Anlässlich des Weltverkehrsforums der OECD, das im Mai 2011 in Leipzig stattfand, hatte ich die Gelegenheit, mich mit Robin Chase zu unterhalten, der Gründerin und ehemaligen CEO von Zipcar. Ich hielt in Leipzig eine Eröffnungsansprache, in der ich die Notwendigkeit unterstrich, bis 2050 weltweit ein kohlenstofffreies Verkehrs- und Logistiknetz aufzuspannen. Robin nahm an einer Gesprächsrunde unmittelbar nach meinem Vortrag teil. Sie betonte, wie sehr das Modell des Carsharing einen Bruch in unserer Auffassung von Mobilität markiere, durch den das Automobil sich von einem Symbol privater Verfügbarkeit zu einem Gegenstand kollektiver Zweckdienlichkeit verwandele.
Im Anschluss an die Sitzung setzten Robin und ich uns zusammen, um uns über den kommenden, dezentralen Kapitalismus, der darauf aus ist, die Grundfesten der herkömmlichen Marktwirtschaft zu erschüttern, etwas näher zu unterhalten. Robin ist gerade im Begriff, ein neues Carsharing-Modell namens Buzzcar zu entwickeln. Dessen Ziel ist es, das Projekt einer dezentralen, kollaborativen Mobilität auf die nächste Ebene zu führen: ein vollkommen laterales Geschäftsmodell. Es fußt auf der Feststellung, dass Millionen Fahrzeugbesitzer ihre Autos nur ein, zwei Stunden am Tag nutzen. Ihr Ziel, erklärte sie mir, sei es, diese zahllosen herumstehenden Pkws für jedermann zugänglich zu |155| machten. So könnten die Autos ihren Besitzern ein Zusatzeinkommen verschaffen, während andere vom leichten Zugang zu individueller Mobilität profitieren würden. Zur Verwirklichung des Projekts müssten allerdings die Autoversicherer noch davon überzeugt werden, ihre Policen auf Individuen statt auf Fahrzeuge zu beziehen. Robin erklärte, diesbezüglich in Verhandlungen mit verschiedenen Versicherungskonzernen zu sein. Sie hoffe, in Kürze die ersten Abkommen unterzeichnen zu können.
Die im Werden begriffene DIR-Wirtschaft führt zu kollaborativen Geschäftspraktiken, die vor nur wenigen Jahren undenkbar gewesen wären, und selbst die großen Weltkonzerne steigen mit ein. Einige der neuen Geschäftsmodelle sind so verrückt und unkonventionell, dass sie ein totales Überdenken des Wesens geschäftlicher Transaktionen erfordern.
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