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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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murmelte der Brigadier.
    »Das glaube ich auch, Estalère.«
    »Und sie ist fünfunddreißig Jahre alt, und sie wurde in der Normandie geboren. Und sie hat schönes Haar. Ich glaube, sie könnte die dritte Jungfrau sein.«
    »Wieso ausgerechnet sie?« fragte Adamsberg und ahnte die Antwort bereits.
    »Um uns zu bestrafen. Indem sie Violette nimmt, verschafft sich die Mörderin den …«
    Estalère stockte bei dem Wort und senkte den Kopf.
    »… den Stoff, den sie braucht«, beendete Adamsberg den Satz. »Und zugleich trifft sie uns mitten ins Herz.«
     
    Maurel, der sich sein vom Treppensturz lädiertes Knie rieb, hielt sich als erster die Ohren zu, als der Hubschrauber über das Dach der Brigade geflogen kam. Alle Beamten stellten sich hinter den Fenstern auf, drückten sich die Finger auf die Schläfen und sahen zu, wie die große blaugraue Maschine sich langsam zur Erde senkte. Danglard trat auf den Kommissar zu.
    »Ich würde lieber mit dem Wagen fahren«, sagte er verlegen. »Im Hubschrauber werde ich Ihnen nichts nützen, da werde ich krank. Ich habe schon im Fahrstuhl meine Schwierigkeiten.«
    »Dann tauschen Sie mit Mordent, Capitaine. Sind die Männer in den Wagen startklar?«
    »Ja. Maurel wartet auf Ihr Zeichen, um die Tür zu öffnen und die Katze rauszulassen.«
    »Und wenn sie nun bloß bis zur Hausecke geht und pißt?« fragte Justin. »Das wäre ihr zuzutrauen.«
    »So wird es sein, sobald sie Retancourt wiedergefunden hat«, meinte Adamsberg.
    »Tut mit leid«, sagte Voisenet nach einigem Zögern, »aber falls Retancourt nun schon tot ist, kann die Katze sie dann noch an ihrem Geruch erkennen?«
    Adamsberg ballte die Fäuste.
    »Tut mir leid«, wiederholte Voisenet. »Es ist wichtig.«
    »Dann bleibt immer noch ihre Kleidung, Justin.«
    »Voisenet«, berichtigte Voisenet automatisch.
    »Ihre Kleidung wird ihren Geruch noch lange an sich tragen.«
    »Stimmt.«
    »Sie ist vielleicht die dritte Jungfrau. Und vielleicht hat man sie uns deshalb geraubt.«
    »Daran hatte ich auch schon gedacht. In dem Fall«, fügte Voisenet nach einer Pause hinzu, »können Sie Ihre Nachforschungen in der Haute-Normandie einstellen.«
    »Das ist schon passiert.«
    Mordent und Froissy kamen startbereit zu Adamsberg. Maurel trug Die Kugel auf dem Arm.
    »Kann sie den Sender auch nicht mit ihren Krallen beschädigen, Froissy?«
    »Nein. Ich habe ihn gesichert.«
    »Maurel, halten Sie sich bereit. Sobald der Hubschrauber hoch genug ist, lassen Sie die Katze laufen. Und sobald die Katze sich auf den Weg macht, geben Sie den Wagen das Zeichen zur Abfahrt.«
    Maurel sah zu, wie die Mannschaft zurücktrat und sich unter den Rotorblättern des startenden Hubschraubers duckte. Schaukelnd stieg die Maschine auf. Maurel setzte Die Kugel ab, um seine Ohren gegen den Startlärm zu schützen, und sofort zerfloß das Tier wie eine Pfütze aus Fell am Boden. »Lassen Sie die Katze laufen«, hatte Adamsberg befohlen, so wie man sagt: »Werfen Sie die Bombe ab.«
    Skeptisch nahm der Lieutenant das Tier wieder hoch und trug es zum Ausgang. Was er da unterm Arm hielt, war nicht wirklich eine Wunderwaffe.

46
    Francine stand nicht vor elf Uhr auf. Sie blieb morgens gern eine Weile wach unter den Bettdecken liegen, wenn alles nächtliche Getier in seine Löcher zurückgekrabbelt war.
    Doch in dieser Nacht hatte ein Geräusch sie gestört, sie erinnerte sich. Sie stieß das alte Federbett zurück – auch das würde sie wegschmeißen, und mit ihm die Milben, die unter der gelben Seide wahrscheinlich zu Tausenden saßen – und nahm ihr Schlafzimmer in Augenschein. Sie sah sofort, was vorgefallen war. Unterhalb des Fensters war der Zementstreifen, der den Spalt verschloß, herausgefallen und lag, in mehrere Stücke zerplatzt, auf dem Boden. Zwischen Mauerwerk und Fensterrahmen schien das Tageslicht herein.
    Francine besah sich den Schaden näher. Sie würde nicht nur diesen verdammten Spalt neu verschmieren müssen, nein, auch nachdenken mußte sie jetzt. Herausfinden, warum und wie der Zement heruntergefallen war. Konnte sich vielleicht ein Tier mit seiner Schnauze gegen die Außenwand gestemmt und versucht haben, mit Gewalt einzudringen, bis es die Auffüllung zerdrückt hatte? Und wenn ja, was für eine Art Tier? Ein Wildschwein?
    Mit Tränen in den Augen setzte Francine sich wieder auf ihr Bett und hob die Füße vom Boden. Ideal wäre es gewesen, sich einfach im Hotel einzumieten, bis die Wohnung bezugsfertig wäre. Aber sie hatte längst

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