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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Lebendige von Jungfrauen «, murmelte Adamsberg.
    »Davon kann sie dir nichts erzählt haben, denn das ist das einzige, was wir nicht verstanden haben.«
    »Du hast es nicht verstanden?« fragte Romain mit verdutzter Miene, er schien wieder ein wenig zu Kräften zu kommen, nun, da es um die Arbeit ging. »Aber das fällt doch ins Auge, es ist groß wie dein Gebirge.«
    »Mein Gebirge laß im Augenblick aus dem Spiel, ich bitte dich. Und erzähl mir was über dieses Lebendige.«
    »Na, was soll’s schon sein, Holzkopf? Das Lebendige ist das, was selbst nach dem Tod noch weiterlebt, was dem Tod trotzt und sogar dem Alter. Es ist das Haar, verdammt. Wenn man erwachsen ist, wenn nichts mehr größer wird, sich nichts mehr bewegt, ist das einzige, das schön und neu immer wieder nachwächst, das Haar.«
    »Es sei denn, sie fallen einem aus.«
    »Doch nicht den Frauen, du Idiot. Das Haar oder die Nägel. Was ohnehin dasselbe ist, Keratin eben. Das Lebendige deiner Jungfrauen, das sind ihre Haare. Denn die sind im Grab der einzige Teil des Körpers, der die Zerstörung durch den Tod überdauert. Sie sind der Anti-Tod, der Gegen-Tod, das Gegengift. Das ist nun wirklich keine Hexerei. Kannst du mir folgen, Adamsberg, oder hast du auch Zustände?«
    »Ich kann dir folgen«, sagte Adamsberg überrascht. »Das ist schlau, Romain, und es ist mehr als wahrscheinlich.«
    »Wahrscheinlich? Machst du dich über mich lustig? Es ist hundertprozentig sicher, ja. Das sieht man doch auf deinem Foto, Mensch.«
    Romain schnappte sich den Stapel Fotos, gähnte ausgiebig und rieb sich die Augen.
    »Hol kaltes Wasser vom Hahn und das Geschirrtuch. Und reib mir den Kopf ab.«
    »Das Geschirrtuch ist ziemlich schmutzig.«
    »Das ist mir scheißegal. Beweg dich.«
    Adamsberg fügte sich und behandelte Romains Kopf, heftig rubbelnd, mit kaltem Wasser, wie man ein Pferd abbürstet. Romains Gesicht wurde ganz rot davon.
    »Geht’s dir jetzt besser?«
    »Es wird schon gehen. Gib mir den Rest Kaffee. Und reich mir das Foto.«
    »Welches?«
    »Das von der ersten Frau, Élisabeth Châtel. Und hol mir die Lupe von meinem Schreibtisch.«
    Adamsberg legte die Lupe und das morbide Bild vor den Mediziner hin.
    »Da«, sagte Romain und zeigte auf die rechte Schläfe von Élisabeths Schädel. »Ihr wurden Haarsträhnen abgeschnitten.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Da besteht nicht der geringste Zweifel.«
    »Das Lebendige von Jungfrauen «, wiederholte Adamsberg und betrachtete eingehend das Foto. »Diese Wahnsinnige hat sie umgebracht, um anschließend ihre Haare zu stehlen.«
    »Die den Tod überdauert hatten. Auf der rechten Schädelseite, wie du feststellen kannst. Erinnerst du dich an den Text?«
    » Mit dem Lebendigen von Jungfrauen, selbigem dextra, angesetzt zu drei gleichen Teilen … «
    » Dextra, rechter Hand, also rechts. Weil links – im Lateinischen sinister – die sinistre, eben düstere Seite ist. Wohingegen die rechte Seite das Licht darstellt. Die rechte Hand lenkt das Leben. Kannst du folgen, mein Lieber?«
    Wortlos stimmte Adamsberg ihm zu.
    »Ariane hatte auch schon an die Haare gedacht«, sagte er.
    »Du scheinst sie gern zu haben, die Ariane.«
    »Wer hat dir das gesagt?«
    »Dein Lieutenant.«
    »Warum aber hat Ariane die abgeschnittenen Haare nicht bemerkt?«
    Romain grinste überlegen.
    »Weil nur ich es sehen konnte. Ariane ist eine Meisterin, aber ihr Vater war kein Friseur. Meiner dagegen schon. Ich kann erkennen, ob eine Strähne frisch geschnitten ist. Die Spitzen sehen anders aus, sind glatt und gerade, ohne Spliß. Siehst du es nicht? Hier?«
    »Nein.«
    »Weil dein Vater eben kein Friseur war.«
    »Nein.«
    »Ariane hat noch eine weitere Entschuldigung. Élisabeth Châtel hat, nehme ich jedenfalls an, nicht viel Aufhebens um ihr Äußeres gemacht. Oder irre ich mich?«
    »Nein. Sie trug weder Schmuck, noch schminkte sie sich, soweit wir wissen.«
    »Und sie ging auch nie zum Friseur. Sie schnitt sich die Haare selbst, wie’s gerade kam. Wenn ihr eine Strähne in die Augen fiel, schnitt sie sie mit der Schere ab, und fertig. Dadurch hatte sie eine ziemlich unordentliche Frisur, siehst du’s? Lange Strähnen, mittellange, kurze. In diesem laienhaft gestutzten Haar war es für Ariane unmöglich, frisch geschnittene Strähnen auszumachen.«
    »Wir haben bei Scheinwerferlicht gearbeitet.«
    »Noch dazu. Und bei Pascaline erkennt man gar nichts.«
    »Hast du das alles am Freitag Retancourt erzählt?«
    »Natürlich.«
    »Was

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