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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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alles durchgerechnet, es war viel zu teuer.
    Francine rieb sich die Augen und schlüpfte in ihre Hausschuhe. Fünfunddreißig Jahre hatte sie es auf diesem verfluchten Bauernhof ausgehalten, sie würde es auch noch zwei weitere Monate schaffen. Sie hatte keine andere Wahl. Abwarten und die Tage zählen. Gleich, sagte sie sich, um sich aufzumuntern, wäre sie in der Apotheke. Und heute abend, wenn sie das Loch unterm Fenster zugestopft hätte, würde sie mit einem Kaffee mit Rum ins Bett steigen und sich einen Film anschauen.

47
    Der Hubschrauber stand über den Dächern der Brigade, und Adamsberg wagte kaum zu atmen. Der vom Sender der Katze erzeugte rote Punkt war gut sichtbar auf dem Bildschirm, doch bewegte er sich keinen Deut vorwärts.
    »Scheiße«, zischelte Froissy.
    Adamsberg nahm sein Funkgerät.
    »Maurel? Haben Sie sie laufenlassen?«
    »Ja, Kommissar. Sie sitzt auf dem Bürgersteig. Sie ist von der Tür aus vier Meter nach rechts gelaufen und hat sich dann hingesetzt. Sie schaut sich die vorbeifahrenden Autos an.«
    Adamsberg ließ sein Mikrofon auf die Knie sinken und biß sich auf die Lippe.
    »Sie bewegt sich«, verkündete plötzlich Bastien, der Pilot, ein ziemlich beleibter Mensch, der das Gerät mit der Gelassenheit eines Klavierspielers bediente.
    Der Kommissar beugte sich zum Bildschirm vor und starrte auf den kleinen roten Punkt, der tatsächlich anfing, sich langsam zu bewegen.
    »Sie läuft in Richtung Avenue d’Italie. Folgen Sie ihr, Bastien. Maurel, geben Sie den Wagen das Zeichen zur Abfahrt.«
    Um zehn nach zehn startete der Hubschrauber seinen Flug über Paris nach Süden, ein riesiges Ungetüm, ganz auf die Bewegungen einer rundlichen, weichen Katze fixiert, die für das Leben draußen so gut wie ungeeignet war.
    »Sie biegt nach Südwesten ab, sie wird die Ringautobahn überqueren«, sagte Bastien. »Und die ist im Moment total verstopft.«
    Mach, daß Die Kugel durchkommt und nicht überfahren wird, betete Adamsberg kurz, an wen auch immer gewandt, seit er seine dritte Jungfrau aus den Augen verloren hatte. Mach, daß sie ein Tier ist.
    »Sie ist rüber«, sagte Bastien. »Jetzt ist sie in den Außenbezirken. Langsam kommt sie in Fahrt, sie rennt fast.«
    Adamsberg sah mit vagem Erstaunen zu Mordent und Froissy, die sich über seine Schulter beugten, um mitzuverfolgen, wie der Punkt sich bewegte.
    »Sie rennt fast«, wiederholte er, als wolle er sich selbst von dem unwahrscheinlichen Ereignis überzeugen.
    »Nein, sie ist stehengeblieben«, sagte Bastien.
    »Katzen können nicht lange rennen«, meinte Froissy.
    »Von Zeit zu Zeit wird sie einen kurzen Sprint einlegen, aber nicht mehr.«
    »Sie läuft wieder los, jetzt in gemäßigterem Tempo.«
    »Wie schnell?«
    »Ungefähr zwei bis drei Stundenkilometer. Sie läuft ganz gemächlich Richtung Fontenay-aux-Roses.«
    »An alle Einsatzwagen, fahren Sie auf die D  77, Fontenay-aux-Roses, immer noch Südwesten.«
     
    »Wie spät ist es?« fragte Danglard, während er auf die Départementale  77 einbog.
    »Viertel zwölf«, sagte Kernorkian. »Vielleicht sucht sie einfach ihre Mutter.«
    »Wer?«
    »Die Kugel.«
    »Erwachsene Katzen erkennen ihre Mutter nicht mehr, sie ist ihnen vollkommen egal.«
    »Ich meine, vielleicht läuft Die Kugel ja einfach irgendwohin. Vielleicht führt sie uns nach Lappland.«
    »Dafür läuft sie allerdings in die falsche Richtung.«
    »Gut«, sagte Kernorkian, »ich meine ja bloß, daß …«
    »Ich weiß«, unterbrach Danglard ihn. »Du meinst bloß, daß wir nicht wissen, wo diese verdammte Katze hinläuft, daß wir nicht wissen, ob sie Retancourt sucht, daß wir nicht wissen, ob Retancourt tot ist. Aber wir haben keine andere Wahl, verflucht noch mal.«
    »Richtung Sceaux«, meldete sich Adamsbergs Stimme wieder über den Bordfunk. »Nehmen Sie die D 67 über die D 75.«
     
    »Sie wird langsamer«, sagte Bastien, »sie bleibt stehen. Sie ruht sich aus.«
    »Falls Retancourt in Narbonne ist«, grummelte Mordent, »haben wir noch ordentlich was vor uns.«
    »Verdammt, Mordent«, entgegnete Adamsberg. »Wer sagt denn, daß sie in Narbonne ist.«
    »Entschuldigung«, sagte Mordent. »Ich bin völlig runter mit den Nerven.«
    »Ich weiß, Commandant. Froissy, hätten Sie vielleicht was zu essen da?«
    Der Lieutenant kramte in seinem schwarzen Rucksack.
    »Was möchten Sie? Was Süßes oder was Herzhaftes?«
    »Was ist denn an Herzhaftem da?«
    »Leberpastete«, schätzte Mordent.
    »Davon hätte ich gern

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