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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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verunsicherte, verwies er sie doch auf ihre eigenen Wahnvorstellungen, auf den unerträglichen Gedanken, es könnten hinter ihrer persönlichen Wand vielleicht ähnliche Ungeheuer lauern, von denen sie nichts wußten, stets bereit, den Krater eines unbekannten Vulkans in ihnen aufzureißen. Adamsberg trug die lange Liste ihrer Verbrechen vor und wartete darauf, daß Ariane zusammenzuckte, daß wenigstens eines von ihnen auf ihrem majestätischem Gesicht eine Reaktion auslösen würde. Doch Omega war viel zu durchtrieben, um sich offen zu zeigen, und hörte, hinter seinem undurchdringlichen Schleier verborgen, im Schatten lächelnd zu. Nur dieses etwas starre, mechanische Lächeln ließ seine zurückgezogene Existenz erahnen.
    »… wegen Mordes an Jeannine Panier, 23 Jahre, und Christiane Béladan, 24 Jahre, den Geliebten Ihres Mannes Charles André Lagarde; wegen Anstiftung zur Flucht von Claire Langevin, 75 Jahre, inhaftiert in der Freiburger Haftanstalt, Deutschland, sowie Organisation dieser Flucht; wegen Mordes an Otto Karlstein, 56 Jahre, Wärter im Freiburger Gefängnis; wegen Mordes an Élisabeth Châtel, 36 Jahre, Reisebüroangestellte, und Pascaline Villemot, 38 Jahre, Angestellte in einer Schuhmacherwerkstatt; an Diala Toundé, 24 Jahre alt, ohne Beruf; an Didier Paillot, 22 Jahre alt, ohne Beruf; wegen versuchten Mordes an Violette Retancourt, 35 Jahre, Lieutenant der Polizei; wegen Mordes an Gilles Grimal, 42 Jahre, Brigadier der Gendarmerie; wegen versuchten Mordes an Francine Bidault, Raumpflegerin; wegen erneuten Mordversuchs vor Zeugen an derselben Violette Retancourt; wegen Schändung der Leichen von Élisabeth Châtel und Pascaline Villemot.«
    Adamsberg schob sein Blatt weg, er hatte genug. Acht Morde, drei Mordversuche, zwei Exhumierungen.
    »Wegen Verstümmelung von Narziß, Kater, 11 Jahre«, murmelte er, »wegen Ausweidung des Großen Roten, Hirsch, Zehnender, und von zwei seiner unbekannten Kameraden. Hast du mich verstanden, Ariane?«
    »Ich frage mich, was du hier tust, mehr nicht.«
    »Du hast es mir immer übelgenommen, nicht wahr? Du hast mir nie verziehen, daß ich im Fall Hubert Sandrin deine Ergebnisse zunichte gemacht habe.«
    »Soso. Ich weiß nicht, wie du auf diese fixe Idee kommst.«
    »Als du dir deinen Plan ausdachtest, hattest du es auf meine Brigade abgesehen. Dein Erfolg in Verbindung mit meinem Untergang, das kam dir sehr gelegen.«
    »Ich wurde zu deiner Brigade beordert.«
    »Weil es einen freien Posten gab, den du haben wolltest. Du hast Dr. Romain in seinen Umnebelungszustand getrieben, indem du ihm Kranichkot untergejubelt hast.«
    »Kranichkot?« fragte Estalère leise.
    Danglard öffnete die Hände in einer Geste der Unkenntnis. Ariane zog eine Zigarette aus ihrer Tasche, und Veyrenc gab ihr Feuer.
    »Solange man rauchen kann«, sagte sie voller Anmut zur Wand, »kannst du reden, soviel du willst. Man hatte mich vor dir gewarnt. Du hast nicht alle deine Sinne beisammen. Deine Mutter hatte recht, der Wind fährt dir pfeifend durch die Ohren.«
    »Laß meine Mutter aus dem Spiel, Ariane«, sagte Adamsberg ruhig. »Ich, Danglard und Estalère haben gesehen, wie du um dreiundzwanzig Uhr in Retancourts Zimmer kamst, in der Hand eine Spritze mit Novaxon. Was hast du dazu zu sagen?«
    Adamsberg war zu ihr an die Wand getreten, worauf Ariane sich sofort zum leeren Schreibtisch drehte.
    »Da solltest du besser Romain fragen«, sagte sie. »Seinen Worten zufolge enthielt die Spritze ein hervorragendes Gegengift zum Novaxon, das sie mit Sicherheit wieder auf die Beine bringen würde. Du und Lavoisier wart dagegen, unter dem Vorwand, dieses Medikament sei noch in der Versuchsphase. Ich habe Romain nur einen Dienst erwiesen. Und das mußte ich, schließlich hatte er keine Kraft, selbst ins Krankenhaus zu gehen. Ich konnte ja nicht ahnen, daß zwischen Retancourt und Romain etwas lief. Und auch nicht, daß sie ihn mit Drogen vollpumpte, um ihn sich gefügig zu machen. Dauernd saß sie bei ihm rum, wie eine Klette klammerte sie sich an. Ich nehme an, irgendwann ist ihm klargeworden, was sie ihm da antat, und er hat die Gelegenheit genutzt, sie loszuwerden. In ihrem Zustand wäre ihr Tod einem Rückfall durch die Vergiftung zugeschrieben worden.«
    »Großer Gott, Ariane!« schrie Romain und versuchte aufzustehen.
    »Laß nur, mein Lieber«, sagte Adamsberg und kehrte zu seinem Stuhl zurück, mit dem Ergebnis, daß Ariane sich in die andere Richtung wandte.
     
    Adamsberg öffnete

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