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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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nicht allein zur Apotheke gehst, oder?«
    »Nein.«
    »Und jede Woche kommt man bei dir vorbei und bringt dir deine Medikamente?«
    »Ja.«
    Adamsberg schloß den Müllbeutel und stellte ihn neben sich.
    »Nimmst du mir das etwa alles weg?« fragte Romain.
    »Ja. Du wirst jetzt soviel wie möglich trinken und pinkeln. In einer Woche wirst du dich fast wieder auf den Beinen halten können. Keine Sorge wegen des Gavelons oder des Energyls, ich bringe dir welches vorbei. Richtiges. Denn in deinen Medikamenten ist nur verdammter Kranichkot drin. Beziehungsweise deine Zustände, ganz wie du willst.«
    »Du weißt nicht, was du da sagst, Adamsberg. Du weißt nicht, wer sie mir immer bringt.«
    »Doch. Eine deiner sehr guten Beziehungen, von der du soviel hältst.«
    »Woher weißt du das?«
    »Weil deine gute Bekannte in diesem Augenblick in meinem Büro sitzt, mit Handschellen, wohlgemerkt. Weil sie acht Personen umgebracht hat.«
    »Machst du Witze, mein Lieber?« sagte Romain nach einer Pause. »Reden wir von derselben Person?«
    »Von einem illustren Geist, einer verdammt intelligenten Person. Und einer der gefährlichsten Mörderinnen. Von Ariane Lagarde, der berühmtesten Gerichtsmedizinerin Frankreichs.«
    »Also jetzt drehst du wohl völlig ab.«
    »Sie ist eine Dissoziierte, Romain.«
    Adamsberg hievte den Mediziner hoch, um ihn zu seinem Bett zu geleiten.
    »Nimm den Lappen mit«, sagte Romain. »Man kann nie wissen.«
    »Ja.«
    Romain setzte sich auf seine Bettdecke, die Miene so verschlafen wie fassungslos, und rief sich nach und nach alle Besuche von Ariane Lagarde ins Gedächtnis zurück:
    »Wir kennen uns schon ewig«, sagte er. »Ich glaube dir nicht, mein Lieber, sie wollte mich nicht umbringen.«
    »Nein. Sie mußte dich nur außer Gefecht setzen, um deinen Platz hier einzunehmen, so lange, wie sie ihn brauchte.«
    »Brauchte wofür?«
    »Um ihre eigenen Opfer selbst behandeln zu können, um uns nur das über sie zu erzählen, was sie wollte. Um zu behaupten, daß der Mörder eine Frau wäre, 1,62 Meter groß, so daß ich der Krankenschwester hinterherjagte. Um nicht zu erwähnen, das die Haare von Élisabeth und Pascaline an der Wurzel skalpiert worden waren. Du hast mich angelogen, Romain.«
    »Ja, mein Lieber.«
    »Du hattest erkannt, daß Ariane ein schwerwiegender beruflicher Fehler unterlaufen war, als sie die abgeschnittenen Strähnen nicht bemerkte. Das zu sagen aber hätte bedeutet, deine Freundin in verdammte Schwierigkeiten zu bringen. Es zu verschweigen hätte wiederum die Ermittlung gestoppt. Bevor du eine Entscheidung trafst, wolltest du dir ganz sicher sein, und so hast du Retancourt gebeten, dir von Élisabeths Fotos Vergrößerungen zu machen.«
    »Ja.«
    »Retancourt hat sich gefragt, warum, und hat sich die Vergrößerungen daraufhin mit anderen Augen angeschaut. So entdeckte sie dieses Mal auf der rechten Schädelseite, konnte es allerdings nicht deuten. Es ging ihr jedoch nicht aus dem Sinn, also kam sie hierher und hat dich gefragt. Was hast du gesucht, was hast du gesehen? Was du gesehen hattest, war ein kleiner Teil des Schädels, der säuberlich skalpiert worden war, und das hast du nicht gesagt. Du hast dich entschlossen, uns, so gut es ging, zu helfen, doch ohne Ariane zu schaden. Und so hast du uns die Information geliefert, indem du sie ein wenig fälschtest. Du hast uns was von abgeschnittenen Haaren erzählt, aber nicht von abrasierten. Was machte das für die Ermittlung schon für einen Unterschied? Es blieben ja Haare. Ariane dagegen konntest du auf diese Weise reinwaschen. Indem du behauptetest, nur du könntest so was erkennen. Deine Geschichte mit den frisch geschnittenen Haaren, die an den Spitzen gerader und glatter sind, war vollkommener Quatsch.«
    »Kompletter.«
    »Es war unmöglich, daß du auf einem einfachen Foto eine Winzigkeit wie die Schnittfläche von Haarspitzen erkanntest. War er wirklich Friseur, dein Vater?«
    »Nein, er war Arzt. Abgeschnittene oder skalpierte Haare, ich sah nicht, was das an deinen Ermittlungen groß ändern konnte. Ich wollte Ariane fünf Jahre vor ihrer Pensionierung keinen Ärger machen. Ich dachte, sie hätte sich einfach nur geirrt.«
    »Retancourt aber hat sich gefragt, wieso Ariane Lagarde, die beschlagenste Gerichtsmedizinerin des Landes, ein solches Detail übersehen konnte. Es erschien ihr unmöglich, daß sie es nicht bemerkt hatte, während du es schon auf einem einfachen Foto gesehen hattest. Daraus schloß Retancourt,

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