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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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sein Notizbuch, lehnte sich nach hinten und kritzelte eine Weile vor sich hin. Ariane war stark, sehr stark. Vor einem Richter konnte ihre Version durchaus überzeugen. Wer würde schon am Wort der berühmten Gerichtsmedizinerin zweifeln, wenn er den armen Dr. Romain daneben sah, der alle seine Fähigkeiten verloren hatte?
    »Du kanntest die Krankenschwester gut«, fuhr er nach einer Pause fort, »für deine Studien hattest du sie oft befragt. Du wußtest, wer sie festgenommen hatte. Es brauchte nur wenig, um mich auf ihre Fährte zu locken. Vorausgesetzt natürlich, daß die Krankenschwester nicht mehr im Gefängnis war. Du hast den Wärter getötet und sie, mit einem Ärztekittel bekleidet, rausgeschleust. Anschließend kamst du hierher, warst mitten im Geschehen, mit einem prima Sündenbock, der seine Funktion perfekt erfüllte. Nur deine Mixtur mußtest du noch vollenden, die großartigste aller deiner Mischungen.«
    »Du magst meine Mischungen nicht«, sagte sie nachsichtig.
    »Nicht wirklich. Hast du das Rezept abgeschrieben, Ariane? Oder kanntest du es seit deiner Kindheit auswendig?«
    »Welches? Das für die Grenaille? Oder die Violine?«
    »Weißt du, daß im Schweinerüssel ein Knochen steckt?«
    »Ja«, sagte Ariane erstaunt.
    »Du weißt es wirklich, schließlich hast du ihn im Reliquiengefäß des heiligen Hieronymus zurückgelassen, zusammen mit den Schafsknochen. Du kennst dieses Reliquiengefäß seit jeher, wie das De reliquis. Und weißt du, daß im Glied des Katers ein Knochen steckt?«
    »Nein, ich gebe zu, nein.«
    »Und ein Knochen in der Form eines Kreuzes im Herzen des Hirschs?«
    »Auch nicht.«
    Adamsberg startete einen erneuten Versuch und ging zur Tür, aber in aller Ruhe drehte sich die Gerichtsmedizinerin zu Danglard und Veyrenc, die unter ihrem Blick durchsichtig wurden.
    »Als du erfahren hast, daß Retancourt rascher als geahnt wieder zu sich kommt, hattest du nicht mehr viel Zeit, um sie zum Schweigen zu bringen.«
    »Sie ist ein bemerkenswerter Fall. Es scheint, Dr. Lavoisier will sie dir nicht wieder zurückgeben. Jedenfalls erzählt man sich das im Saint-Vincent-de-Paul.«
    »Woher weißt du, was man sich im Krankenhaus erzählt?«
    »Das liegt am Beruf, Jean-Baptiste. Der Betrieb ist überschaubar.«
    Adamsberg klappte sein Mobiltelefon auf. Lamarre und Maurel waren dabei, die Wohnung zu durchsuchen, die die Gerichtsmedizinerin in Paris gemietet hatte.
    »Zumindest die Schuhe haben wir«, sagte Lamarre. »Es sind beigefarbene Leinenschuhe, die um den Knöchel geschnürt werden, mit sehr hohen Kreppsohlen, fast zehn Zentimeter hoch.«
    »Ja, heute abend trägt sie die gleichen in Schwarz.«
    »Die Schuhe hatte sie zusammen mit einem langen grauen Wollmantel weggeräumt, fein säuberlich gefaltet. Aber es ist keine Schuhcreme unter den Sohlen.«
    »Das ist normal, Lamarre. Die Schuhcreme gehört zu dem Köder, der uns zu der Krankenschwester führen sollte. Und die Medikation?«
    »Im Augenblick noch nichts, Kommissar.«
    »Was tun die in meiner Wohnung?« fragte Ariane ein wenig entsetzt.
    »Sie durchsuchen sie«, sagte Adamsberg und steckte das Telefon wieder in seine Tasche. »Sie haben dein anderes Paar Leinenschuhe gefunden.«
    »Wo?«
    »In dem Schrank auf dem Treppenabsatz, da, wo die Stromzähler hängen, geschützt vor Alphas Blicken.«
    »Warum sollte ich meine Sachen in den Gemeinschaftsspind räumen? Die gehören mir nicht.«
    Kein einziger ernsthafter Beweis, dachte Adamsberg. Und bei einer Persönlichkeit wie Lagarde brauchten sie weit mehr als ihren nächtlichen Auftritt im Saint-Vincent-de-Paul, um sie hinter Schloß und Riegel zu bringen. Es blieb ihnen nur noch die winzige Chance eines Geständnisses, ein Persönlichkeitscrash, wie Ariane gesagt hätte. Adamsberg rieb sich die Augen.
    »Warum trägst du diese Schuhe? Solch hohe Sohlen sind beim Gehen doch sehr hinderlich.«
    »Man wirkt schlanker dadurch, eine Frage des äußeren Erscheinungsbildes. Mit so etwas kennst du dich nicht aus, Jean-Baptiste.«
    »Immerhin weiß ich das, was du selbst mir beschrieben hast. Der Dissoziierte muß sich vom Boden seiner Schandtaten lösen. Mit solchen Sohlen bewegst du dich weit darüber, ungefähr wie auf Stelzen, nicht wahr? Und du wirst auch größer dadurch. Der Friedhofswärter in Montrouge und Oswalds Neffe haben dich gesehen, grau und lang, in den Nächten, in denen du die Gräber ausfindig gemacht hast, und Francine sagt das gleiche. Allerdings wird so auch das

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