Die dritte Sünde (German Edition)
noch angesprochen. Er möchte sich zur Ruhe setzen. Er hat mir diesen Aaron Stutter als Nachfolger vorgeschlagen. Ist er fähig? Oder soll ich ihn entlassen und einen anderen Stallmeister suchen?«
Isobels Herz setzte fast einen Moment aus. Sie zwang sich zur Ruhe. Die Anwesenheit Aarons war das zentrale Moment in ihren Plänen. Nicht auszudenken, wenn er entlassen würde. »Nun«, begann sie gedehnt, verzweifelt nach überzeugenden und trotzdem offensichtliches Desinteresse heuchelnden Worten suchend, »dieser Stutter ist seit dem Frühjahr auf Whitefell beschäftigt. Ich habe ihn als fähig und überaus fleißig erlebt und mein Vater war sehr angetan davon, dass er ihm ein wertvolles Fohlen gerettet hat. Fast wäre es mitsamt seiner Mutter bei der Geburt eingegangen. Nur dank seines Eingreifens konnte der finanzielle Verlust verhindert werden. Ich denke, er ist die richtige Wahl.« In demonstrativer Gleichgültigkeit ließ sie ihren Blick aus dem Fenster schweifen.
»Nun gut!«, meinte Havisham, indem er die Zeitung wieder aufnahm. »Er soll die Stelle übernehmen. Du kannst es ihm mitteilen und Mrs Branagh entsprechend Anweisung geben, seinen Lohn auf den des Stallmeisters, abzüglich des halben Schillings, aufzustocken. Sie verwaltet in meiner Abwesenheit die Lohnzahlungen. Mit allem, was du sonst auszugeben gedenkst in den nächsten Tagen, kannst du sie ebenfalls betrauen.«
Isobel konnte gerade noch verhindern, dass sie erleichtert ihren Atem entweichen ließ. Stattdessen genehmigte sie sich einen großen Schluck Tee.
Kapitel 40
Am nächsten Tag verließ Havisham Whitefell schon früh, um zunächst noch einmal in seinem Haus in Salisbury nach dem Rechten zu sehen und dann weiter nach Portsmouth zu fahren, wo er eine wichtige Schiffsladung erwartete und einige geschäftliche Besprechungen zu führen hatte, wie er Isobel in ungewohnter Gesprächigkeit mitgeteilt hatte. Isobel interessierte es nicht sonderlich. Sollte er doch machen, was er wollte. Hauptsache, er verschwand für ein paar Tage!
Nach dem Frühstück wurde Billie Thomson zu ihr gebracht. Der Junge wirkte sehr aufgeregt und starrte sie unentwegt aus großen Augen an. Es war lästig, aber leider nicht zu vermeiden. Sie musste sich mit dem kleinen Krüppel abgeben, wollte sie ihren Plan ausführen. Isobel bemühte sich angestrengt darum, ihn sehr freundlich zu behandeln. Cathy, die dabei zugegen war, wurde Zeugin, wie Billie mit stolzgeschwellter Brust seinen ersten Auftrag entgegennahm. Obwohl sie eine starke Beunruhigung deswegen empfand, ließ sie sich nichts anmerken, sondern strich ihrem Bruder nur zärtlich über die Locken, als er das Zimmer verließ, was er unwillig und mit einem zornigen Blick abwehrte.
Isobel sandte ihn zum Apotheker nach Wilton, wo er ihr, wie sie es auf einem Zettel notiert und mit ihrer Unterschrift bestätigt hatte, eine geringe Menge Alaun besorgen sollte. Das Geld dazu hatte sie sich vorsorglich von Mrs Branagh geben lassen. Es handelte sich nur um eine geringe Summe. Ärgerlich, dass ihr Havisham nicht selbst die Verwaltung der häuslichen Finanzen übertragen hatte. Aber das traute er ihr wohl ob ihrer Jugend nicht zu. Vielleicht misstraute er ihr auch, wegen der unverschämt hohen Kosten für das Kleid, das sie sich in London ausgesucht hatte.
Tatsächlich erregte auch ihr steigender Bedarf an Essig bereits Misstrauen bei Mrs Reed, die hatte anfragen lassen, wozu sie denn den Essig brauche und ob man ihr eventuell sonst irgendwie dienlich sein könne. Natürlich hatte sie sich darüber ausgeschwiegen. Außerdem verursachten die ständigen, sehr sauren Spülungen bereits ein unangenehmes Brennen in ihrer Scheide, die durch Havishams fortgesetzte Inanspruchnahme ohnehin ein wenig gereizt war. Sie wollte deshalb für die Spülungen auf Alaun umsteigen, das noch effektiver in der zuverlässigen Abtötung des männlichen Samens war. Zumindest hatte Lady Craven diese Ansicht vertreten. Aber in den ersten Wochen ihrer Ehe, unter den wachsamen Augen von Havisham, war ihr eben nur der unverdächtige und auch leicht verfügbare Essig zur Hand gewesen.
Endlich war die Sache mit dem Knaben eingefädelt. Befriedigt schickte sie Cathy in die Ankleidekammer, um das Chaos dort aufzuräumen, das Isobel in ihrer Ungeduld, sich ein passendes Gewand für ihr Vorhaben auszusuchen, dort angerichtet hatte. Sie hatte ein gutes Dutzend ihrer Kleider anprobiert und sich schließlich für ein leichtes, himmelblaues Sommerkleid mit
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