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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Angehörigen hatten sich eingefunden. Der neue Herr, Mr Horace Havisham, hatte es so angeordnet. Finley runzelte die Stirn. Es war schließlich ruchbar geworden, dass Mr de Burgh anscheinend nicht ganz freiwillig das Feld für seinen Schwiegersohn geräumt hatte. Einer der Bediensteten hatte so etwas in der Gesindeküche verlauten lassen und dann war es natürlich von einem Ohr zum anderen gegangen, im Pub des Dorfes zur Sprache gekommen und schließlich bei so ziemlich jedem Bewohner der Umgebung bekannt geworden. Man munkelte von ernsten finanziellen Schwierigkeiten, in die Mr de Burgh geraten war. Dazu kam der überraschende Tod seines Erben, der, wie in einem ausführlicheren Schreiben der East-India-Trading-Company gestanden hatte – auch diese Neuigkeiten fußten auf Gerüchten –, nicht etwa an den Folgen einer Verletzung verstorben war, die er sich im tapferen Kampf gegen aufständische Inder zugezogen hatte. Der Grund war in Wahrheit eine Kopfverletzung, die ihm im Zuge eines feigen Überfalls in den dunklen Gassen Bombays zugefügt worden war. Die Täter, so hieß es, seien unerkannt entkommen. Das war ein weiterer Schicksalsschlag für den unglücklichen Mr de Burgh gewesen. Er konnte einem wirklich leidtun, wenn er auch nicht unschuldig an der ganzen Misere war. In dieser Art und Weise allerdings von seinem Besitz verdrängt zu werden, war schon eine Schmach, die er bei aller Kritik wegen seiner Unvernunft nicht verdient hatte. Aber was zählte schon die Meinung der Bediensteten, Pächter und Angestellten des Guts? Gespannt erwartete man nun die Entscheidungen des neuen Herrn, der, wie ebenfalls bekannt geworden war, ein überaus erfolgreicher Geschäftsmann aus Salisbury war. Es stünden auch einige Personalentscheidungen sowie bauliche Veränderungen auf Whitefell an, hieß es, als der Befehl an alle erging, sich heute, eine halbe Wache vor dem Tee, auf dem Gesindehof einzufinden.
    Wenigstens war der neue Herr pünktlich. Kurz nach der angegebenen Zeit fand er sich nebst seiner jungen Frau auf dem Gerätehof ein und bestieg ein Podest, das er eigens dort hatte errichten lassen. Die anwesenden Angestellten sollten ihn gut sehen und auch gut hören können, was er ihnen zu sagen hatte. Er war ein stattlicher und respektabel wirkender Mann, dessen Stimme sowohl Entschlossenheit als auch eine gewisse Schärfe enthielt, stellte Finley sachlich fest. Einer, der nur zu genau wusste, was er wollte. Sicher kein schlechter Ehemann für die junge Mrs Havisham, der es nicht schaden konnte, wenn ihr jemand endlich Grenzen setzte.
    Havisham begrüßte die Anwesenden und stellte sich selbst als der neue Herr von Whitefell vor. Dann kündigte er einige Veränderungen an. Das unsichere Gemurmel, das sich daraufhin unter der Menge erhob, schnitt er mit einer nachdrücklichen, herrischen Geste wirksam ab. Entgegen anderslautender Gerüchte plane er nicht, Entlassungen vorzunehmen, teilte er knapp mit. Es erhob sich vorsichtiger Applaus. Allerdings seien die Personalausgaben nach Überprüfung der Bücher unvernünftig hoch und er überlege sich, wo eingespart werden könne. Am gerechtesten erschiene es ihm, den Lohn aller um etwa einen halben Schilling zu kürzen. Das täte keinem wirklich weh – einige Stimmen wagten dies zu bezweifeln, wurden aber von einer unwirschen Geste des neuen Gutsherrn zum Schweigen gebracht – und erschiene ihm als die beste aller Lösungen. Wer dies nicht mittragen wolle, sagte er, betont in die Richtung der Unzufriedenen blickend, dem stehe es natürlich frei, den Dienst zu quittieren.
    Finley setzte ein schräges Lächeln auf. Als ob irgendeiner von ihnen eine Wahl gehabt hätte! Alle waren bitter auf das ohnehin für die arbeitende Bevölkerung sehr knappe Gehalt angewiesen. Die Lebenshaltungskosten waren in den letzten Jahren unverhältnismäßig gestiegen, während die Löhne ebenso kontinuierlich sanken. Das Geld reichte gerade noch für das Nötigste, oft nicht einmal für das. Wer kein Land bewirtschaften konnte, um sich zu ernähren, oder, wie er, die Möglichkeit zur Jagd hatte, hatte echte Schwierigkeiten, die hungrigen Münder zu stopfen. Die Alternative zu Havishams Angebot waren andere Güter. Ein lächerlicher Gedanke! Niemand der Angestellten mit Familie würde dort eine Arbeit finden. Oder aber man entschied sich, sein Glück in den anwachsenden Industrien der mit Dampfmaschinen betriebenen Fabriken zu versuchen. Doch da waren die Arbeitsbedingungen wohl sehr hart und auch

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