Die dritte Sünde (German Edition)
überkam ihn wieder der Argwohn gegenüber Armindale. Dem Mann war jede Finte zuzutrauen.
»Sie haben übrigens Glück, mich hier in Trowbridge anzutreffen. Ich bin normalerweise eigentlich die meiste Zeit in London. Meine Pflichten als Abgeordneter, Sie verstehen? Was führt Sie also zu mir, Mr Havisham?« Mr Baker schien trotz aller Jovialität eine zupackende Art zu haben. Eine charakterliche Mischung, die wohl einen Teil seiner Popularität im Wahlbezirk begründete.
»Ja, man teilte mir mit, dass Sie sich momentan Ihrem Unternehmen vor Ort widmen, deshalb habe ich Sie hier aufgesucht. Ich nehme an, Sie haben jemanden, der in Ihrer Abwesenheit die Produktion Ihrer Fabrik betreut und den Verkauf organisiert?«
Mr Baker sah seinen Besucher etwas irritiert an: »Ich gehe doch wohl recht in der Annahme, dass Sie nicht hier sind, um mir Ihre Dienste in diesem Bereich anzubieten. Sie wirken nicht, wenn ich das so anmerken darf, wie jemand, der sich um Arbeit verdingen müsste. Außerdem habe ich ohnehin seit vielen Jahren einen vertrauenswürdigen Mann auf diesem Posten, einen Mr Samuel Halfbottle. Ich bin mit ihm vollauf zufrieden.«
Havisham verzog leicht verärgert die Lippen. Wie kam Baker auf die absurde Idee, dass er um einen Posten als leitender Angestellter ersuchen wollte? Das Gespräch lief ein wenig unglücklich, zu dumm! »Selbstverständlich bin ich nicht hier, um Sie um eine Anstellung zu bitten! Da vermuten Sie ganz recht. Das habe ich nun wirklich nicht nötig. Es erstaunt mich ein wenig, dass Ihnen mein Name nichts sagt. Ich bin Mr Horace Havisham aus Salisbury: Händler, Unternehmer und Besitzer weitreichender Anteile in etlichen Industriezweigen sowie seit Kurzem auch Herr über den Landsitz von Whitefell.«
Sein Gegenüber sah ihn mit plötzlichem Misstrauen an: »Doch! Jetzt, wo Sie es erwähnen … tatsächlich hörte ich von Ihnen. Ich glaube, Ihr Name fiel kürzlich in einem Gespräch im Reform Club. Man sprach darüber, dass Sie politische Ämter anstreben.«
Havisham erstarrte. Green, dieser Narr! Hatte er etwa seinen Mund nicht halten können? Ihr Opfer wusste schon Bescheid, ahnte zumindest, dass das Anliegen seines Besuchers nicht rein geschäftlicher Natur war. Das würde sein Ansinnen erheblich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Er beschloss, nun da Baker offenbar klar war, dass ein Angriff bevorstand, diesen nicht kunstreich einzufädeln, sondern vielmehr auf offenem Felde in die Schlacht zu ziehen. Etwas anderes blieb ihm ohnehin kaum mehr übrig.
Er lächelte breit. »So ist es, werter Mr Baker. Ich habe in den vergangenen Jahren meine Karriere sehr, um nicht zu sagen enorm erfolgreich vorantreiben können und da ich mich politisch sehr interessiere, besonders, was die Pläne eines Flügels der Whigs bezüglich der Freihandelsgrenzen betrifft, habe ich tatsächlich ein großes Interesse daran, meine unbestreitbaren Fähigkeiten in Zukunft als Abgeordneter einzubringen.«
»Ich verstehe!«, sagte Mr Baker langsam und maß sein Gegenüber mit einem abschätzenden Blick. »Und ich stehe Ihnen nun im Wege, da ich den Sitz im Unterhaus innehabe und es nur ein Mandat für den Wahlbezirk zu vergeben gibt.«
Havisham lächelte immer noch, sagte aber nichts. Was sollte er dazu auch sagen? Der Mann hätte es nicht klarer formulieren können.
»Dann gehe ich davon aus, dass Sie mich heute aufgesucht haben, um mir vorzuschlagen, mein politisches Engagement zum neuen Wahlturnus aufzugeben.«
»Das ist tatsächlich der Kern meines Ansinnens«, gab Havisham freimütig zu und lehnte sich zurück. Er war gespannt, wie Baker auf diese klare Ansage reagieren würde.
»Mr Havisham, ich bin durchaus darüber im Bilde, dass nicht alle meiner Parteifreunde meiner Arbeit positiv gegenüberstehen. Manche halten mich für einen Idealisten, wobei diese Bezeichnung von ihnen keineswegs schmeichelhaft gemeint ist. Tatsächlich sind diese Realisten, wie sie von sich selbst sagen, daran interessiert, mehr Männer von Ihrer Art in die politische Arbeit einzubinden.« Baker machte eine gedankenvolle Pause, während der nur das schnipp, schnapp der Blütenschere seiner feenhaften Schwiegertochter zu hören war. »Aber sehen Sie, was die einen als weltfremden Idealismus bezeichnen, sehe ich begründet als absolute Notwendigkeit. Unsere Gesellschaft befindet sich seit dem Voranschreiten der technischen Neuerungen und der damit verbundenen Entwicklung der Produktionsmöglichkeiten in einem rasanten
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