Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
Vom Netzwerk:
Frau in herrschaftlicher Kleidung war gerade damit beschäftigt, einige vertrocknete Blütenstängel mit einer zierlichen Schere abzuschneiden. Havisham vermutete sehr, dass es sich bei der Dame um die stark vernachlässigte Ehefrau von Mr Baker junior handelte.
    »Madam!«, grüßte er sie mit einer höflichen Verbeugung. Die Dame hatte ihn noch kaum bemerkt und schien sichtlich vertieft in ihre Beschäftigung. Beim Klang seiner zusammengeschlagenen Absätze schrak sie jedoch aus ihrer Versunkenheit auf.
    »Oh, Mr Havisham, nehme ich an … William hat Sie angekündigt. Mein Schwiegervater wird gleich kommen.« Sie ging auf ihn zu. So wenig hübsch, wie er zunächst vermutet hatte, war sie gar nicht – ganz im Gegenteil. Sie hatte einen zarten Teint, grüne, wirklich bemerkenswert schöneAugen und dunkelblondes, feines Haar. Jedoch schien sie keinen großen Wert auf eine aufwendige Garderobe zu legen, wie es zum Beispiel Isobel so überaus wichtig war. Warum auch?, dachte Havisham. Für wen sollte sie sich denn schmücken? Für einen Mann, der sich lieber anderen Männern zuwandte? Kurz erfasste ihn tatsächlich so etwas wie Mitleid für die junge und offenbar recht empfindsame Frau, die sich mit der beschämenden Tatsache konfrontiert sehen musste, dass sie dem einzigen Sinn und Zweck einer Ehefrau nicht genügen konnte, nämlich dem Manne die erforderlichen Nachkommen zu gebären. Aber er schob die ungewohnte Regung schnell zur Seite, das sollte nicht seine Sorge sein.
    »Es ist für uns recht ungewohnt, dass wir zu so früher Stunde schon Besuch empfangen«, meinte Mrs Baker entschuldigend. Auch ihre Stimme war sanft und wohlklingend. »Mein Schwiegervater pflegt bis spät in die Nacht zu arbeiten und schätzt deshalb die morgendliche Ruhe.«
    Havisham biss sich verärgert auf die Lippen. Diese Information hätte ihm Armindale gestern wirklich geben können, dann hätte er Baker zu einem späteren Zeitpunkt aufgesucht. Das waren nicht die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Gespräch. Er war einfach wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass jeder ernstzunehmende Geschäftsmann, so wie er selbst, den Wert der frühen Stunde zu schätzen wusste.
    »Aber vielleicht darf ich Ihnen etwas Kaffee bringen lassen? Wissen Sie, sowohl mein Schwiegervater wie auch ich schätzen dieses Getränk, obwohl es ein wenig unenglisch ist, ganz außerordentlich.« Sie lächelte und bot ihm höflich einen Platz an.
    »Das wird nicht nötig sein. Ich habe bereits im Hotel gefrühstückt«, lehnte Havisham ab, noch immer verärgert über den durch Armindale verursachten Fauxpas.
    »Schade!«, meinte Mrs Rupert Baker und blickte, die Hände im Schoß gefaltet, sehnsüchtig zu ihren Pflanzen hinüber. Ein unangenehmes Schweigen trat ein, das nur durch das Ticken der großen Uhr auf dem Kamin unterbrochen wurde. Havisham ertappte sich dabei, dass er seinen Blick ungebührlich lange auf ihr ruhen ließ. Sie hatte etwas Besonderes, etwas Berührendes an sich, das er nicht zu erklären vermochte. Da endlich wurde die Tür zum Salon geöffnet und der Herr des Hauses trat ein. »Ah, Mr Havisham, verzeihen Sie, dass ich Sie habe warten lassen. Allerdings hatte ich aber auch nicht so früh mit einem Besuch gerechnet. Wissen Sie, in Trowbridge und bei meinen politischen Freunden ist es allgemein bekannt, dass ich eher ein Nachtmensch bin. Eine eingefleischte Angewohnheit, die wohl durch die jahrelange politische Arbeit hervorgerufen wurde. Man pflegt sich nämlich bei den Whigs die Nächte mit endlosen Diskussionen um die Ohren zu schlagen.« Er lachte jovial und setzte sich seinem Besucher gegenüber hin. »Ich hoffe, meine Schwiegertochter hat Ihnen die Zeit nicht lang werden lassen. Sie ist ein reizendes Geschöpf, nicht wahr?« Das »reizende Geschöpf« war, kaum dass Baker senior eingetreten und seine Schwiegertochter damit der Gastgeberpflicht enthoben hatte, schon wieder zu den Pflanzen enteilt.
    »Gewiss, Mr Baker«, sagte Havisham unbestimmt. Wie sollte er die ätherische Erscheinung der jungen Mrs Baker auch kommentieren? Allerdings musste er sich eingestehen, dass er sie ohne Zweifel ebenfalls sehr bemerkenswert fand. Er ärgerte er sich jedoch zu sehr darüber, dass Armindale ihm die offensichtlich weiten Kreisen bekannte Information über Bakers Gepflogenheiten nicht hatte zukommen lassen, um dem Gedanken weiter Raum zu geben. Wollte Armindale womöglich, dass Havishams eigener Plan nicht erfolgreich war? Plötzlich

Weitere Kostenlose Bücher