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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Wandel, so wie nie zuvor. Es entstehen Fragen und Notwendigkeiten, denen wir uns in früheren Jahrhunderten nicht stellen mussten. Vor allem das Wohl der unteren, arbeitenden Schichten sollte uns am Herzen liegen. Ich sehe, Sie lachen darüber, Mr Havisham. Das erstaunt mich nicht. So wie Sie denken viele, aber lassen Sie es sich von einem erfahrenen Unternehmer sagen: Wenn wir diese Massen nicht in menschenwürdige Lebensbedingungen bekommen, wird sich das schließlich als Sprengstoff für unsere Gesellschaft entpuppen, der auch unsere Schicht hinwegfegen kann. Die soziale Frage ist die eigentliche Frage dieses Jahrhunderts. Ein eindrucksvoller Vorgeschmack davon waren die Aufstände in Manchester vor nicht allzu langer Zeit.«
    »… die, dank des beherzten Eingreifens der Behörden, effektiv und nachhaltig niedergeschlagen wurden!«, ergänzte Havisham kühl. »Nun, ich sehe das allerdings anders. Sie überschätzen die Macht der niederen Schichten doch erheblich, scheint mir. Das ist doch ungebildeter Abschaum, der nur eine feste Hand braucht.« Das also war die Motivation für Mr Baker, sich dem Wohl seiner Arbeiterschaft zu widmen, anstatt seine Produktion zu optimieren, dachte Havisham. Mr Baker war tatsächlich ein Träumer und alberner Weltverbesserer. Vermutlich würde es sich doch als ziemlich schwierig erweisen, den Narren geschäftlich so an sich zu binden, dass er ihn in der Hand hatte.
    »Oh, ich bin mir sicher, dass ein Mann wie Sie das anders sieht«, ließ sich da Baker mit einem Anflug von Bitternis in der Stimme vernehmen. »London ist dieser Tage voll von Männern Ihres Schlages. Erfolgreiche Geschäftsleute sind es, doch in Wirklichkeit rücksichtslose Kreaturen, denen der Wert eines Menschen nichts bedeutet im Verhältnis zum Profit ihrer Unternehmungen.«
    Havisham reagierte mit wohldosierter Empörung. Dachte Baker wirklich, er ließe sich durch simple Beleidigungen aus dem Feld schlagen? Lächerlich! »Mr Baker, ich sehe keinen Grund, dass Sie hier ausfallend werden müssen!«, gab er pikiert zurück, ganz verletzte Würde. »Bei Ihrer Argumentation vergessen Sie doch, dass nur ein prosperierendes Unternehmertum sich auch dem Wohl seiner Arbeiter widmen kann, wie Sie es fordern. Mir ist allerdings bekannt, dass Ihr Unternehmen – gerade wegen der fatalen Überbetonung des Arbeiterwohls – keineswegs so glänzend dasteht, wie es sollte. Es sieht wohl nicht allzu gut aus, was die Finanzdecke betrifft und sollten Sie scheitern, werden auch Ihre hochgeschätzten Arbeiter bald nichts mehr zu beißen haben.« Havisham lächelte gefährlich. »Ich denke, Sie sollten sich darüber ernste Gedanken machen.«
    Baker stockte sichtlich der Atem. »Woher wissen Sie das?«
    »Das tut hier nichts zur Sache. Letztlich sind solche hilfreichen Informationen eine Frage kluger Investition, die Sie ja so verurteilen.«
    »Sie haben jemanden beauftragt, mich auszuspionieren, nicht wahr? Dann war das also Ihre Kreatur, die hier seit Tagen herumschleicht und Auskünfte über mich und meine Familie zu erbeuten trachtet. Nicht einmal vor dem Bankgeheimnis haben Sie haltgemacht. Sie scheinen rücksichtsloser zu sein, als ich es befürchtet hatte.«
    Baker wusste also auch darüber Bescheid. Armindale war nicht vorsichtig genug gewesen. Es hatte wohl keinen Sinn mehr, auf eine höfliche Lösung des Konflikts zu hoffen. Vermutlich würde er doch das zweite, wenig freundliche Druckmittel verwenden müssen, aber solange er diesbezüglich noch nicht über alle Informationen verfügte, wäre es pure Dummheit, Baker damit zu drohen. Allerdings war es vielleicht doch sicherer, er trieb die Sache umgehend selbst voran. Green und Armindale hatten sich letztlich doch als nicht so geschickt erwiesen. »Ich nehme mit Bedauern zur Kenntnis, dass Sie meinen doch eigentlich nur vernünftigen Nachforschungen, Ihr Unternehmen und Ihre Person betreffend, so unverständig gegenüberstehen. Als Unternehmer müssten Sie doch wissen, dass man sich gründlich informieren sollte, bevor man eine weitreichende Entscheidung trifft. Ich hatte gehofft, wir könnten geschäftlich kooperieren. Ich wollte Ihnen die kostengünstige Modernisierung Ihrer Produktionsanlagen vorschlagen, nicht zuletzt, um den Arbeitsplatz Ihrer Arbeiter zu sichern.« Havisham war sich im Klaren darüber, dass dieser eher offizielle Weg, Baker zu einem Verzicht auf seine Kandidatur zu bewegen, schon so gut wie versperrt war. Es war ihm andererseits wichtig, zumindest der

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