Die dritte Sünde (German Edition)
von Isobel befreien und dann einfach alles vergessen und neu anfangen. Schließlich handelte er schon so, seit er ein Knabe war. Was blieb ihnen anderes übrig? Man konnte vor denen, die Macht hatten, davonlaufen, so wie er damals vor Cecil Turner davongelaufen war. Man konnte sich ihrem gierigen oder ungerechten Zugriff – wenn man Glück hatte – entwinden, so wie sie es vorhatten, aber es war völlig undenkbar und ebenso unklug, zu glauben, dass die Peiniger je von einem englischen Gericht für ihre Verfehlungen zur Rechenschaft gezogen werden würden. Nicht, wenn die Klage aus dem Mund eines einfachen Mannes, einer Frau oder gar eines Kindes kam. Wütend hieb er mit seinem Schnitzmesser auf das Holzstückchen ein. Die Reichen und Mächtigen konnten sich gegenüber dem niederen Volk eben alles herausnehmen und verschaffte man sich selbst sein Recht, und sei es in Bedrängnis, so drohte einem der Galgen, ehe man es sich versah. Das englische Rechtssystem war effektiv, streng und in der Praxis leider ausgesprochen ungerecht. Daran hatten auch die lächerlichen Reformen vor einigen Jahren nichts ändern können. Das war jedem aus dem Volke so wohlbekannt, dass es niemand auch nur entfernt in den Sinn kam, dagegen aufzubegehren. Besser, man hatte mit den Richtern und Schergen der Krone gar nichts zu schaffen. Unversehens fand man sich sonst in einem Gefängnis oder auf einem Schiff in die Kolonien wieder, da wurde nicht lange gefackelt.
»Meinst du, sie kommt heute noch?«, fragte Cathy plötzlich. Aaron schrak beim Klang ihrer Stimme, die das angespannte Schweigen zwischen ihnen durchschnitt, zusammen. Er zuckte mit den Schultern und sah sie an. Plötzlich brach es aus Cathy heraus: »Aaron, es tut mir so leid! Ich wollte nicht, dass du da hineingezogen wirst. Was hast du auch mit meiner Familie zu schaffen? Zumal mein Vater dich nicht gerade freundlich behandelt hat. Ich schäme mich so dafür!« Verzagt ließ sie den Kopf hängen. Es rührte ihn, wie zierlich und doch so bereit, die Last der Welt einmal mehr auf ihre schmalen Schultern zu laden, sie dort mitten im Raum stand. Schnell legte er sein Werkstück zur Seite, ging zu ihr hinüber, nahm sie in die Arme und küsste den Scheitel ihres Haares. »Cathy, du hast mich in nichts hineingezogen. Es ist ganz allein meine Entscheidung!« Er lächelte. »Habe ich dir nicht in der Kirche versprochen, dir in allem beizustehen? In guten wie in schlechten Tagen … ich denke, du erinnerst dich. Pfarrer Browning wird das andernfalls gerne bezeugen.« Dann aber wurde er wieder ernst. »Außerdem bin ich an der ganzen Situation genauso beteiligt. Wenn Isobel nicht so grauenhaft eifersüchtig auf dich wäre, wenn vor allem ich damals nicht so dumm gewesen wäre, mich mit ihr einzulassen, wäre das alles nicht passiert. Also bin ich genauso in der Verantwortung wie du.« Er drückte sie an sich. »Du bist nicht allein, Cathy. Wir gehören zusammen und wir werden dieses Elend gemeinsam beenden.« Er spürte, wie sie in ängstlicher Erwartung des Kommenden erbebte, doch sie nickte tapfer. »Ich wünschte nur, es wäre schon vorbei«, sagte sie und schluckte schwer, als könne sie damit die Furcht loswerden.
»Ja, bei Gott, das wünschte ich auch! Aber wir werden das auch noch durchstehen, nicht wahr, mein Herz?« Er legte seinen Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an, damit sie ihm in die Augen sah. Grenzenloses Vertrauen spiegelte sich in ihrem Blick. Er konnte nicht widerstehen und küsste sie zärtlich, doch da erklang plötzlich der lang erwartete und gleichermaßen befürchtete Hufschlag von Isobels Schimmel auf dem Hof. Aaron straffte die Schultern und ließ seine Frau schnell los. Es war so weit, der letzte Kampf mit Isobel sollte beginnen!
Kurze Zeit später stand die Herrin von Whitefell im Raum. Man sah ihrer schlammbespritzten Kleidung an, dass der Ritt zur Pennywood Farm kein Vergnügen gewesen war, trotzdem hatten sie auch die widrigen Wetterverhältnisse nicht davon abgehalten, erneut ihr vermeintliches Recht einzufordern. Sie war offenbar nur zu wild darauf. »Wie ich sehe, wurde ich schon erwartet!«, sagte sie und lächelte huldvoll.
Aaron hätte sie am liebsten erschlagen. Doch er riss sich zusammen und zwang sich zu einem Lächeln. Es gelang nur mühsam. »Ich nehme an, du wirst ablegen wollen«, sagte er und ging auf sie zu.
»Lass nur, das kann Cathy besorgen«, wehrte Isobel ab, »nicht wahr, Cathy, das machst du ja gewiss sehr gerne!« Ihr
Weitere Kostenlose Bücher