Die dritte Todsuende
gesagt, kann ich damit nicht das Geringste anfangen. Ich stecke bis zum Hals in Papierkrieg, und deswegen habe ich mich gefragt, ob Sie wohl bereit wären, ihn bei sich zu empfangen. Dann wäre ich ihn los.«
Delaney überlegte, daß Boone allmählich erkennen ließ, unter was für einem Druck er stand. Er wurde zunehmend reizbar und störrisch. Anstatt Dr. Ho die Ergebnisse aus der Hand zu reißen und nach mehr zu schreien, versuchte er, sich vor einem Gespräch mit ihm zu drücken.
»Du magst Ho nicht besonders, oder, Sergeant?«
»Nein, Sir«, sagte Boone. »Er riecht wie ein Obstkuchen und behandelt diese ganze Angelegenheit wie eine Art Rätsel der Wissenschaft. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß er es bloß darauf anlegt, Punkte zu sammeln, und dabei unsere wertvolle Zeit verschwendet.«
»Könnte sein«, sagte Delaney und dachte, daß Boone sich auf diese Weise vielleicht abzusichern suchte, falls Ho sich wirklich als Verlierer herausstellte.
»Wollen Sie mit ihm reden, Sir?«
»Sicher«, sagte der Chief aufgeräumt. »Gib ihm meine Adresse. Ich bin den ganzen Vormittag zu Hause.«
Dr. Patrick Ho traf ungefähr eine Stunde später ein und gewann Monicas Freundschaft im Handstreich. Sie hielt sich in der Küche auf und bereitete einen Salat zu, und der Doktor bestand darauf, ihr zu zeigen, wie man Rosetten aus Rettich macht und wie man einen Selleriestengel so aufschlitzt, daß er einer exotischen Blüte ähnelt.
Schließlich gelang es Delaney, ihn ins Arbeitszimmer zu locken, wo er ihn mit einer Tasse Tee versorgte. Er nahm auf dem Drehstuhl Platz und sah wohlwollend zu, wie Dr. Ho einen Stapel Papier aus einer ramponierten Aktentasche holte.
»Also?« fragte der Chief. »Wie sind Sie mit den Krankenhäusern klargekommen?«
»Bestens«, antwortete strahlend der kleine Mann. »Sie waren sehr kooperativ, vor allem, nachdem ich ihnen erklärt hatte, warum ihre Hilfe so lebenswichtig wäre. Das war schließlich etwas, das sie zu Hause und bei ihren Freunden erzählen konnten — nicht wahr? Daß sie am Ripper-Fall mitgearbeitet haben.«
»Und waren sie in der Lage, die beiden unbekannten Substanzen im Blut der Mörderin zu identifizieren?«
»Ah, ja. Wo habe ich es denn? Ah, hier. Ja, ja. Hoher Kaliumgehalt, niedriger Natrium-, Chlorid- und Bikarbonatsspiegel, wie wir ja bereits festgestellt haben. Die beiden vorher nicht identifizierten Substanzen waren in hoher Konzentration vorhandenes ACTH und MSH.«
Er blickte Delaney an, gleichzeitig stolz und bescheiden, als erwartete er heftigen Applaus.
»ACTH und MSH?« fragte der Chief.
»Genau. In anormal hoher Konzentration.«
»Doktor«, sagte Delaney mit größtmöglicher Geduld, »was sind ACTH und MSH?«
»Hormone aus der Hypophyse«, sagte Dr. Ho glücklich. »In normalem Blut wären sie nie in einer solchen Konzentration vorhanden. Und was ich sehr, sehr interessant finde, ist die Tatsache, daß es sich bei MSH um ein Hormon handelt, das Melanismus hervorruft. Ich wage zu sagen, daß die Frau, um deren Blut es sich handelt, unter einer auffälligen Verfärbung der Haut leidet. Eine Dunkelfärbung, ähnlich einer sehr starken Sonnenbräune, nur mehr ins Graue, Schmutzige spielend.«
»Am ganzen Körper?«
»Oh, nein, das glaube ich nicht. Aber an bloßliegenden Stellen wie Gesicht, Hals, Händen und so weiter. Möglicherweise auch an Ellbogen und Brustwarzen. Stellen, die Reibung oder Druck ausgesetzt sind.«
»Interessant, was Sie alles anhand einer Blutanalyse feststellen können. Sagen Sie, Doktor, wäre es auch möglich, jemand anhand einer Blutanalyse zu identifizieren? Wie mit Hilfe seiner Fingerabdrücke?«
»Oh, nein«, sagte Dr. Ho. »Nein, nein, nein. Vielleicht wird das eines Tages anhand des genetischen Codes möglich sein, aber niemals anhand des Blutes. Sehen Sie, das Blutbild wird von vielen Dingen beeinflußt, davon, was wir essen, trinken oder von Drogen, die dem Körper zugeführt werden. Die chemische Zusammensetzung des Blutes ändert sich ständig, wöchentlich, täglich, beinahe von Minute zu Minute. Als Mittel einer positiven Identifikation wäre es also ohne jeden Wert. Andererseits kann ein vollständiges Blutprofil großartige Hinweise auf die körperliche Verfassung des Spenders geben. Und genau das haben wir jetzt: ein komplettes Blutprofil.«
»Diese Hormone, die Sie erwähnt haben — wie kommen sie in so großer Menge zustande?«
»Krankheit«, sagte der Doktor vergnügt. »Ich möchte behaupten, daß die
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