Die dritte Todsuende
kramte in seiner schäbigen Aktentasche herum und förderte mehrere Papierbogen zutage. Delaney überließ ihm den Drehstuhl, und der Doktor richtete sich auf eine längere Telefonsitzung ein.
»Eine Frage noch, Dr. Ho«, sagte der Chief, »aus reiner Neugier … Wenn die Computer keine Diagnose stellen können — was werden Sie dann tun?«
»Oh«, meinte der kleine Mann fröhlich, »mir wird schon etwas einfallen.«
Delaney sah ihn verwundert an. »Darauf möchte ich wetten«, sagte er.
Am Dienstag, dem 1. Juli, wurde um zehn Uhr vierzehn morgens über die Notrufnummer ein gewaltsamer Tod im Tribunal Motor Inn an der 49th Street westlich der Tenth Avenue gemeldet. Der Anrufer war der Sicherheitschef des Tribunal.
Der Alarm wurde nach Manhattan Nord weitergeleitet. Der Sergeant vom Dienst informierte über Funk einen Polizeibeamten, der gerade in der Nachbarschaft des Hotels Streife ging, zwei uniformierte Beamte in einem Einsatzwagen und zwei weitere Beamte in Zivil in einem ungekennzeichneten Fahrzeug.
Darüber hinaus informierte er die Einsatzleiter des Sonderkommandos zur Aufklärung der Hotel-Ripper-Morde, die gerade zwei Stockwerke weiter oben ihre Morgenkonferenz abhielten. Sergeant Abner Boone schickte die Detectives Bentley und Johnson an den Tatort.
Während sie auf den Anruf der beiden Beamten warteten, saßen die anderen schweigend im Konferenzraum, rauchten und tranken schalen Kaffee aus aufgeweichten Pappbechern. Edward X. Delaney stand auf, um das Tribunal auf einer an die Wand gepinnten Revierkarte zu lokalisieren. Deputy Commissioner Ivar Thorsen gesellte sich zu ihm.
»Was meinst du, Edward?« fragte er leise.
»Nicht direkt mitten in Manhattan«, antwortete der Chief, »aber immer noch nah genug.«
Sie setzten sich wieder hin und warteten. Niemand redete. Aus den Stockwerken unter ihnen drangen die Geräusche eines hektischen Tages in einem Polizeirevier herauf. Sie konnten sogar das helle, blubbernde Geräusch hören, das Lieutenant Crane verursachte, als er in seine Pfeife blies, um den Stiel zu reinigen.
Als das Telefon klingelte, zuckten alle im Raum zusammen. Sie beobachteten Sergeant Boone, der abrupt den Hörer hochriß. Die Knöchel an seiner Hand traten weiß hervor.
»Sergeant Boone«, meldete er sich heiser.
Er lauschte einen Moment. Dann hängte er wieder ein und blickte die anderen an. Sein Gesicht trug einen harten Ausdruck.
»Gehen wir«, sagte er.
Die Männer stürzten alle gleichzeitig los. Stühle fielen um, Türen schlugen zu, uniformierte Beamte quollen aus Büroräumen, Füße trampelten die Treppen hinunter.
»Was hetzt ihr euch so ab«, meinte Sergeant Broderick griesgrämig. »Sie ist schon lange weg.«
Motoren wurden gestartet, Sirenen heulten, Hupen ertönten. Delaney fuhr in Deputy Thorsens Wagen mit. Der uniformierte Fahrer jagte auf die Eighth Avenue, dann westlich auf der 55th Street in Richtung Ninth Avenue und schließlich nach Süden auf die 49th Street.
»Sie hat uns schon wieder reingelegt«, stieß der Admiral zwischen den Zähnen hervor.
Als sie endlich mit quietschenden Bremsen vor dem Tribunal hielten, war die Straße bereits verstopft von Polizeiwagen, Mannschaftsbussen und Rettungsfahrzeugen. Eine stetig wachsende Menschenmenge wurde von untergehakten Polizeibeamten zurückgedrängt, bis Barrikaden errichtet werden konnten.
Das Hotel war bereits umstellt; niemand konnte hinein oder heraus, ohne sich auszuweisen. Angestellte des Tribunal, Gäste und Besucher waren im Foyer zum Verhör zusammengetrieben worden.
Ein uniformierter Beamter, der die Fahrstühle bewachte, schickte die Männer in den fünften Stock.
Vor der offenen Tür von Zimmer 508 hatte sich eine Menschenansammlung gebildet. Sergeant Boone stand mit versteinertem Gesicht im Türrahmen.
»Kein Zweifel, das ist ihre Handschrift«, sagte er mit leerer Stimme. »Kehle aufgeschlitzt und die üblichen Stichwunden. Das Opfer war ein gewisser Chester LaBranche, vierundzwanzig, aus Barre in Vermont. Er hielt sich zu einer Art College-Tagung hier auf.«
»Schon wieder eine Tagung«, sagte Thorsen bitter. »Vierundzwanzig. Er war ja noch ein Kind !«
»Hatten wir hier auch Lockvögel?« fragte Delaney.
»Nein«, sagte Boone knapp. »Es ist nur ein kleines Hotel, und es liegt nicht gerade am Times Square, deswegen haben wir es nicht beobachtet.«
Der Deputy Commissioner öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloß ihn aber wieder.
Tommy Callahan kam zur Tür.
»Nackt«,
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