Die dritte Todsuende
der Meinung, daß das Bild des Departments in der Öffentlichkeit genauso wichtig ist wie die Leistung des Departments. Wir könnten die besten Cops der Welt sein, und es würde nichts nutzen, wenn jeder uns für einen Haufen von Einfaltspinseln hielte. Ich sage nicht, daß das Image Vorrang hat. An erster Stelle steht die Leistung, auf sie gründet sich das Bild. Wir alle wollen mehr Cops auf den Straßen, nicht wahr? Wir wollen bessere Bezahlung, besseres Training und bessere Ausrüstung. Aber wie, zum Teufel, sollen wir die Politiker oder die Öffentlichkeit darum angehen können, wenn die in uns einen unorganisierten Haufen hoffnungsloser Stümper sehen?«
»Ich sage lediglich, daß du uns allen die Arbeit ungeheuer erschwerst, nur um dir die Presse ein paar Tage lang vom Hals zu schaffen.«
»Vielleicht«, sagte Thorsen. »Aber was, glaubst du, wird passieren, wenn wir diese Anne Rogovich unter Verschluß halten, und die Zeitungen kommen irgendwie dahinter? Wie soll ich ihnen dann erklären, warum wir die Öffentlichkeit nicht gewarnt und darauf hingewiesen haben, wie die Mörderin aussieht und was sie trägt? Sie würden uns kreuzigen !«
Delaney sagte: »Auf diese Weise können wir ewig weitermachen. Wir haben einfach andere Prioritäten, das ist alles.«
»Den Teufel haben wir«, sagte Thorsen. »Ich bin genauso scharf darauf, sie zu schnappen, wie du. Mehr noch. Aber dir geht es nur um dein Ego. Stimmt das nicht, Edward?«
Delaney schwieg.
»Du hast bei diesem Fall die Tunnelperspektive, Edward. Du siehst einzig und allein deinen Wunsch, den Killer zu stoppen. Gut. Du bist ein Cop; du brauchst nicht an mehr zu denken. Aber ich muß auch noch auf andere Erwägungen Rücksicht nehmen. Eine davon ist der Ruf, das Ansehen des Departments. Für dich geht es nur um die Gegenwart. Für mich geht es ebenso um die Gegenwart, aber auch um die Zukunft.«
»Und ich behaupte trotzdem, daß du damit die Ermittlungen kaputtmachst«, sagte Delaney dickköpfig.
Ivar Thorsen seufzte. »Das sehe ich anders. Vielleicht werden sie erschwert, aber ich glaube, der Nutzen überwiegt die Risiken. Vielleicht irre ich mich, zugegeben, aber so sieht meine Beurteilung der Lage nun einmal aus. Und es wird gemacht, wie ich es sage.«
Sie schwiegen und starrten sich an. Endlich sagte Thorsen ruhiger: »Übrigens bin ich darüber informiert, daß wir diese Anne Rogovich nie im Leben aufgetrieben hätten, wenn du nicht Bentleys Männer aufgefordert hättest, danach zu fragen, ob jemand sich an einen Mann mit narbenbedeckten Händen erinnert. Das war gute Arbeit.«
Der Chief grunzte.
»Edward«, sagte Thorsen, »möchtest du aussteigen?«
»Nein«, sagte Delaney. »Ich will nicht aussteigen.«
»Was ist eigentlich los?« fragte Monica. »Du bist schon den ganzen Abend unausstehlich.«
»Ach ja?« fragte Delaney mürrisch. »Wahrscheinlich hast du recht.«
Sie waren im Bett, hatten sich aufgesetzt und versuchten zu lesen. Das Deckenlicht und die Nachttischlampen brannten, die Klimaanlage im Fenster summte. Sie pflegte erst abgestellt zu werden, wenn der Chief und seine Frau schlafen wollten.
Jetzt hatte Monica sich die Brille in die Stirn geschoben und ihr Buch zugeklappt. Ein Zeigefinger zwischen den Seiten markierte die Stelle, an der sie gerade war. Sie hatte sich ihrem Mann zugewandt. Ihr verwirrter und besorgter Tonfall milderte die Schärfe ihrer Worte.
Er berichtete ihr von der Auseinandersetzung mit Thorsen und wiederholte die Unterhaltung, so genau er konnte. Sie hörte schweigend zu. Als er fertig war und fragte: »Was hältst du davon?«, schwieg sie einen Moment, ehe sie antwortete.
»Glaubst du wirklich, daß sie das tun wird?« fragte sie dann. »Ich meine, einfach die Perücke und das Armband weglassen und sich anders anziehen?«
»Monica«, sagte er, »sie ist keine dumme Frau. Bisher weist alles auf sorgfältige Planung, clevere Reaktionen und eiskalte Entschlossenheit hin. Sie wird diese Beschreibung in der Zeitung lesen, im Radio oder Fernsehen hören, und dann weiß sie, wohinter wir her sind. Also wird sie in die entgegengesetzte Richtung davonmarschieren.«
»Woher weißt du überhaupt, daß es sich um eine Verkleidung handelt? Vielleicht zieht sie sich immer so an.«
»Nein, nein. Sie hat versucht, ihre Erscheinung zu verändern, dessen bin ich mir ganz sicher. Erstens würde eine Frau von ihrer Intelligenz sich normalerweise nie so kleiden. Darüber hinaus wußte sie, daß die Chance bestand, daß
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