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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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jemand sie mit ihrem Opfer sah und in Erinnerung behielt. Deswegen wollte sie völlig anders als sonst aussehen.«
    »Du willst sagen, daß sie sonst eher wie ein Bibliothekarin oder eine Schulmeisterin aussieht?«
    »Nun… ich glaube, daß sie eine ganz durchschnittlich aussehende Frau ist. Kleidet sich konservativ und benimmt sich auch so. Vielleicht ist sie sogar langweilig und unauffällig. Eine graue Maus. Bis sie ausbricht und mordet.«
    »Du beschreibst sie, als wäre sie schizophren.«
    »O nein, ich glaube nicht, daß sie das ist, sie weiß sehr genau, wer sie ist. Sie fügt sich in die Gesellschaft ein und macht keine Wellen. Aber sie ist eine Psychopathin. Eine normal funktionierende Psychopathin.«
    »Danke, Doktor. Und warum tötet sie dann?«
    »Woher soll ich das wissen?« fragte er ungehalten. »Sie wird ihre Gründe haben. Vielleicht würden sie jedem anderen verrückt erscheinen, ihr hingegen nicht. Sie hat eine ganz andere Logik als wir.«
    »Ich würde sie wirklich gern kennenlernen«, sagte Monica langsam. »Ich meine, ich würde gern mit ihr reden. In Erfahrung bringen, was in ihrem Verstand vorgeht.«
    »Ihr Verstand?« fragte Delaney. »Ich glaube, der würde dir nicht zusagen. Weißt du, als ich heute den Zusammenstoß mit Ivar hatte, hat er etwas gesagt, das mich beschäftigt. Deswegen war ich auch den ganzen Abend so unausstehlich. Er sagte, mir ginge es nur um mein Ego.«
    »Was meint er damit?«
    »Ich glaube, er wollte sagen, daß ich diesen Fall zu persönlich nehme. Daß ich um jeden Preis beweisen will, daß ich gerissener bin als der Ripper. Daß ich besser planen, schneller reagieren und präziser denken kann. Daß ich ihr überlegen bin.«
    »Du meinst, du willst nicht, daß eine Frau dich schlägt?«
    »Unsinn! Unterdrück mal deine feministischen Instinkte. Nein, Ivar meinte nur, daß ich diesen Fall als persönliche Herausforderung betrachte.«
    »Und hat er recht?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht hat mein Ego damit zu tun, aber da sind noch viele andere Dinge.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel die simple, grundlegende Überzeugung, daß es falsch ist, zu morden. Wie die Überzeugung, daß unser Gesetz mit all seinen Fehlern und Schwächen immer noch das beste ist, das wir nach all diesen Jahrtausenden zu entwickeln vermochten, und daß jeder Angriff auf dieses Gesetz bestraft werden sollte. Darüber hinaus ist Mord nicht nur ein Angriff auf das Gesetz, sondern auch auf die Menschlichkeit.«
    »Da komme ich nicht mit.«
    »Na gut, dann ist es eben ein Verbrechen gegen das Leben. Klingt das vernünftiger? Vielleicht gibt es wichtigere Dinge, aber das Leben an sich ist wertvoll genug, so daß jeder, der sich aus egoistischen Motiven daran vergreift, bestraft werden sollte.«
    »Und du glaubst, diese Frau, der Hotel-Ripper, hat egoistische Motive?«
    »Alle Mörder haben egoistische Motive. Sogar die, die von sich behaupten, nur einen Befehl Gottes ausgeführt zu haben. Wenn man alles andere abzieht, haben sie es nur getan, weil es ihnen ein gutes Gefühl verschafft hat.«
    »Du glaubst, diese Frau tötet, weil sie sich dabei gut fühlt?« fragte Monica ungläubig.
    »Sicher«, sagte er amüsiert. »Das steht ganz außer Frage.«
    »Aber das ist ja schrecklich.«
    »Wirklich? Handeln wir nicht alle aus Selbstsucht?«
    »Edward, das ist doch nicht deine tatsächliche Überzeugung, oder?«
    »Natürlich ist sie das. Was ist denn so schlimm daran? Das einzige Problem ist, daß die meisten Leute ihr ganzes Leben damit verbringen, herauszufinden, wo ihre Interessen liegen, und am Ende haben sie sich in neun von zehn Fällen verhauen.«
    »Aber du weißt natürlich, wo deine Interessen liegen?«
    »Na klar. In deinem Bett.«
    »Ferkel.«
    Etwa eine Stunde später stellten sie die Klimaanlage ab.
    Kaum hatte Edward X. Delaney sich am nächsten Morgen mit der Times ins Arbeitszimmer verzogen, da klingelte das Telefon. Der Anrufer war Sergeant Abner Boone.
    »Guten Morgen, Chief.«
    »Morgen, Sergeant.«
    »Tut mir leid, daß ich Sie so früh störe, Sir, aber ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht vorhatten, heute im Revier vorbeizuschauen.«
    »Eigentlich nicht. Sollte ich denn?«
    »Tja… ich wollte Sie um einen Gefallen bitten.«
    »Sicher. Was gibt's?«
    »Ich habe einen Anruf von Dr. Ho bekommen. Er hat die Ergebnisse der Blutuntersuchungen in den Krankenhäusern vorliegen und möchte mit mir darüber reden. Er hat mir am Telefon eine kleine Vorschau gegeben, und ehrlich

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