Die dritte Todsuende
schwieriges mathematisches Theorem bewiesen.
»In Ordnung«, sagte Delaney, »soweit kann ich Ihnen, glaube ich, folgen. Und was ist mit dem hohen Kaliumgehalt und dem anderen Zeug?«
»Auch das sind klassische Anzeichen für die Addisonsche Krankheit. Besonders der niedrige Natriumspiegel.«
»Sagen Sie, Doktor«, fragte Thorsen, »kann man vom bloßen Hinsehen erkennen, ob jemand die Addisonsche Krankheit hat? Zum Beispiel an diesen Hautverfärbungen?«
»Ah, nein«, antwortete Dr. Ho, »leider nicht. Mit der richtigen Medikamentierung und Diät wirkt ein Opfer dieser Krankheit so normal wie wir alle. In gewisser Weise ähnelt es einem Diabetiker: es muß bis an sein Lebensende synthetisches Cortisol nehmen und auf seinen Salzbedarf achten. Davon abgesehen kann es ein ganz normales Leben führen, Sport treiben, arbeiten, sich sexuell betätigen, eine Familie gründen und so weiter. Es gibt keinen Beweis dafür, daß die Addisonsche Krankheit die Lebenserwartungen herabsetzt, solange sie angemessen behandelt wird.«
»Einen Moment«, sagte Delaney mit einem Stirnrunzeln. »Irgend etwas stimmt da nicht. Angenommen, unsere Täterin hätte die Addisonsche Krankheit und befände sich in Behandlung, dann würde ihr Blut doch all diese Charakteristika nicht zeigen, oder?«
»Genau!« rief Dr. Ho und klatschte glücklich in die Hände.
»Sie haben vollkommen recht. Eine Möglichkeit wäre, daß sich die Täterin erst im Anfangsstadium der Krankheit befindet und noch keine ärztliche Hilfe gesucht hat. Eine andere Möglichkeit wäre, daß sie sich in Behandlung begeben hat, daß aber ihr Leiden nicht richtig diagnostiziert worden ist. Und eine dritte Möglichkeit schließlich wäre, daß ihre Krankheit zwar erkannt worden ist und man ihr die richtigen Medikamente verschrieben hat, daß sie sie aber aus irgendeinem Grund nicht nimmt.«
»Das sind aber eine ganze Menge Möglichkeiten«, knurrte Sergeant Boone.
»Ah, ja«, sagte der Doktor, nicht im mindesten entmutigt. »Aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit. Eine Addisonsche Krise kann durch akuten Streß wie etwa Erbrechen, eine Verletzung, eine Infektion, eine Operation, sogar durch eine Zahnextraktion hervorgerufen werden. Und durch eine längere Periode intensiven geistigen, emotionalen oder psychischen Stresses.«
Sie starrten ihn an. Nach und nach dämmerte ihnen, was er gesagt hatte.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe«, sagte Delaney, »wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß die Täterin ihrer Meinung nach an der Addisonschen Krankheit leidet, daß sie sich in Behandlung befindet, daß diese Behandlung aber nicht anschlägt, weil die Anstrengung, sechs Fremden in Hotelzimmern die Kehlen aufzuschlitzen, ihre Wirkung verhindert. Ist das so?«
»Ah, ja«, sagte Dr. Ho geduldig. »Ich glaube, das ist ganz definitiv eine Möglichkeit.«
»Das ist doch verrückt!« explodierte der Sergeant.
»So?« fragte der Doktor. »Was ist daran so verrückt? Sie werden doch den Einfluß geistiger oder emotionaler Vorgänge auf das körperliche Befinden nicht leugnen wollen, oder? Daß da eine enge Beziehung existiert, ist mittlerweile klar erwiesen. Sie können sich davon überzeugen, daß Sie leben wollen, und Sie können sich davon überzeugen, daß Sie sterben wollen. Ich sage ja nicht mehr, als daß die physische Gesundheit dieser Frau von den Anstrengungen und der Furcht, mit denen ihre schrecklichen Aktivitäten verbunden sind, negativ beeinflußt worden sein könnte. Es könnte auch noch einen psychologischen Faktor geben. Wenn sie das Böse, das sie tut, als solches erkennt, sich womöglich als ein wertloses Individuum begreift, das nicht in unsere Gesellschaft paßt, könnte das ihren Gesundheitszustand ebenfalls beeinflussen.«
»Hören Sie«, sagte der Admiral, »wir wollen jetzt nicht den emotionalen und psychologischen Schnörkeln dieser Frau nachgehen. Das können wir den Psychiatern überlassen, nachdem wir sie geschnappt haben. Halten wir uns an das, was wir haben. Sie glauben, daß sie an der Addisonschen Krankheit leidet und entweder nicht richtig behandelt wird oder die Behandlung ignoriert und nach und nach vom Streß dieser Morde umgebracht wird. Das klingt albern, entspricht aber doch dem, was Sie gesagt haben, oder?«
»Ungefähr«, sagte Dr. Ho leise.
»Also?« fragte der Admiral. »Was machen wir jetzt? Wie stellen wir es an, die betreffenden Personen in New York aufzutreiben?«
»Die Ärzte aufsuchen?« fragte Boone. »Fragen,
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