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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Ich glaube, keiner von uns weiß genau, was das ist.«
    »Ah, ja«, sagte Dr. Ho strahlend. »Das ist kein Wunder. Die Krankheit ist sehr selten. Ein Arzt könnte fünfzig Jahre praktizieren, ohne sie einmal behandeln zu müssen.«
    »Wie selten?« fragte Delaney scharf. »Nennen Sie uns ein paar Zahlen.«
    »Ah, ja, ich habe mich mit der vorhandenen Literatur darüber genau beschäftigt. Eine der Autoritäten behauptet, daß auf hunderttausend Einwohner ein Fall von Addisonscher Krankheit kommen könnte. Andere Schätzungen sind geringfügig höher. Verstehen Sie, es gibt kein Register, in das die Opfer dieser Krankheit eingetragen werden. Ich würde sagen, daß es im Gebiet von New York vielleicht zweihundert, noch eher aber nur einhundert Fälle gibt. Es tut mir leid, daß ich mich nicht noch präziser äußern kann, aber es gibt einfach keine Möglichkeit, mehr in Erfahrung zu bringen.«
    »In Ordnung«, sagte Delaney, »teilen wir die Summe durch zwei und sagen, es gibt vielleicht hundertfünfzig Fälle, davon dreißig oder vierzig in Manhattan. Das ist wirklich selten genug. Was ist nun diese Addisonsche Krankheit genau?«
    Dr. Ho sprang auf und öffnete Jackett und Weste seines hübschen dunklen Popelinanzugs. Ein kleiner Bauch wölbte sich über dem Hosenbund. Begeistert preßte Ho die Fingerspitzen beider Hände in das Gebiet unterhalb des Brustkastens.
    »Ah, hier«, sagte er. »Ungefähr. In der Nähe der Nieren. Zwei Drüsen, genannt die Nebenniere. Ich will versuchen, es ihnen so allgemeinverständlich wie möglich zu erklären. Diese Nebennierendrüsen haben ein Zentrum, das Mark, und eine Rinde. Die Nebennieren sondern mehrere wichtige Hormone ab. Das Mark, zum Beispiel, produziert das Adrenalin. Sie wissen, was Adrenalin ist? Die Rinde, auch Kortex genannt, sondert Cortisol ab, auch als Cortison bekannt. Die Nebennieren produzieren darüber hinaus einige Sexualhormone. Was Sex ist, wissen Sie wahrscheinlich auch.«
    Der Doktor kicherte.
    »Machen Sie vorwärts«, knurrte der Sergeant.
    »Ah, ja. Manchmal ist der Kortex, die Rinde der Drüse, beschädigt oder ganz zerstört. Das kann die Folge von Tuberkulose, einer Pilzvergiftung, eines Tumors oder anderer Ursachen sein. Wenn der Kortex der Nebenniere beschädigt oder zerstört ist, kann er kein Cortisol produzieren. Das Resultat ist katastrophal. Schwächeanfälle, Gewichtsverlust, Übelkeitsgefühle, Brechreiz, niedriger Blutdruck, Schmerzen im Unterleib und so weiter. Wenn sie nicht behandelt wird, ist der Verlauf der Krankheit unweigerlich tödlich.«
    »Und wenn sie behandelt wird?« fragte Delaney.
    »Ah, da liegt das Problem. Weil die Krankheit so selten ist und so wenige Ärzte mit den Symptomen vertraut sind, wird sie manchmal nicht korrekt diagnostiziert. Die frühen Anzeichen wie Schwäche, Übelkeit, Verstopfung und so weiter können auch für eine schlichte Virusgrippe oder eine Infektion symptomatisch sein. Aber während die Krankheit fortschreitet, tritt ein Symptom auf, das ein fast hundertprozentiger Hinweis ist: Teile des Körpers — die Ellbogen, Knie, Knöchel, die Lippen und die Falten im Handteller — verfärben sich. Es kann sich um gelbbraune, braune oder bronzefarbene Flecken handeln. Manchmal sind sie sogar grau oder bläulichschwarz. Der Grund für diese Verfärbung ist höchst interessant.«
    Er hielt inne und blickte sich strahlend um. Er hatte ihre Aufmerksamkeit, ganz zweifellos.
    »Es gibt im Gehirn eine kleine Drüse, genannt die Hypophyse. Sie produziert Sekrete, die praktisch alle Körperfunktionen beeinflussen. Die Hypophyse und die Nebennieren haben eine Art Feedback untereinander. Die Hypophyse produziert zwei Hormone, ACTH und MSH, welche den Kortex der Nebennieren dazu anregen, Cortisol abzusondern, das wiederum mithilft, den ACTH- und MSH-Spiegel auf normalem Niveau zu halten. Aber wenn dieser Kortex beschädigt oder zerstört wird, hebt sich der ACTH- und MSH-Spiegel im Blut. MSH wiederum ist zuständig für die Bildung der Melanozyten und kontrolliert damit das Melanin in der Haut. Als Melanin bezeichnet man die braune oder schwarze Pigmentierung. Wenn es also einen anormal hohen MSH-Spiegel gibt, bedeutet das eine Anhäufung von Melanin und somit eine Verfärbung der Haut — ein Anzeichen für den Diagnostiker, daß der Patient an einer Schädigung der Nebennierenrinde leidet, an der Addisonschen Krankheit.«
    Dr. Patrick Ho schloß mit einer triumphierenden Note, als hätte er gerade ein besonders

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