Die dritte Todsuende
Ist das nicht eine Symphonie?«
»Es sieht nett aus.«
»Schätzchen«, sagte Maddie kauend, »ich habe dich nie nach deiner Scheidung gefragt, oder?«
»Stimmt, das hast du nicht.«
»Wenn du darüber nicht sprechen willst, brauchst du es mir bloß zu sagen, und ich halte die Klappe. Aber ich bin neugierig. Ich dachte immer, ihr beide hättet die heißeste Liebesaffäre der ganzen Weltgeschichte gehabt. Zumindest klang es in deinen Briefen so. Was ist passiert?«
»Nun…, ja…« Zoe stocherte in ihrem Salat herum. »Wir haben uns einfach auseinandergelebt.«
»Quatsch«, sagte Madeline Kurnitz und steckte ein großes Stück Fleisch in den Mund. »Darf ich mal raten? Ich schätze, es hatte was mit Sex zu tun.«
»Nun… vielleicht«, sagte Zoe leise.
Maddie hörte auf zu essen. Sie saß da, die Gabel in die Luft gestreckt, und starrte Zoe an. »Wollte er, daß du ihm einen ablutschst?«
»Was?«
»Daß du ihm den Schwanz leckst«, sagte Maddie ungeduldig.
Zoe blickte sich nervös um. Aber keiner der anderen Gäste an den Nebentischen schien dieser irritierenden Unterhaltung zu lauschen.
»Das war eine Sache«, sagte sie ruhig. »Aber es gab auch noch andere.«
Maddie beschäftigte sich wieder mit ihrem Essen, offenbar ernüchtert und wieder ernst. Sie hielt die Augen auf ihrem Teller.
»Schätzchen«, sagte sie, »warst du noch Jungfrau, als ihr geheiratet habt?«
»Ja.«
»Nach allem, was ich dir an der Uni beigebracht habe?« Maddie schlug verärgert die Augen gen Himmel. »Das sollte eine Ausbildung sein, verdammt noch mal! Es ist wirklich zu blöd. Und, wie war sie?«
»Wie war was?«
»Die Hochzeitsnacht, du Schäfchen. Der erste Fick. Wie war es?«
»Es war nicht gerade das größte Abenteuer meines Lebens«, sagte Zoe trocken.
»Hattest du einen?«
»Er hatte einen. Ich nicht.«
Maddie starrte sie lange und nachdenklich an. »Hast du je einen gehabt?«
»Nein, habe ich nicht.«
»Was? Sprich lauter. Ich verstehe dich nicht.«
Sie beendeten die Mahlzeit schweigend.
»Armes kleines Pflänzchen«, sagte Maddie schließlich.
»Schätzchen, ich kenne da so eine großartige Frau, die Frauen wie dich behandelt und —«
»Mit mir ist alles in Ordnung«, sagte Zoe hitzig.
»Natürlich, Liebling«, sagte Maddie beruhigend. »Aber es ist einfach eine Schande, daß du eins der größten Vergnügen in diesem elenden Dasein verpaßt. Diese Frau, die ich kenne, veranstaltet Gruppentherapien. Kleine Gruppen. Fünf oder sechs Frauen wie du. Sie hat einen guten Ruf auf ihrem Gebiet und schon vielen Frauen geholfen.«
»Es liegt nicht an mir«, explodierte Zoe. »Es liegt an den Männern.«
»Aha«, sagte Maddie und zerquetschte ihren Zigarillostummel im Aschenbecher. »Komm, laß dir den Namen dieser Frau geben.«
»Nein«, sagte Zoe.
Maddie Kurnitz zuckte mit den Schultern. »Dann laß uns den Kaffee bestellen«, schlug sie vor. »Und einen schönen, großen Nachtisch, der ordentlich dick macht.«
Dr. Oscar Stark, Internist, hatte seine Praxis im Erdgeschoß eines umgebauten Mietsgebäudes an der 35th Street, gleich östlich von der Park Avenue. Es war ein gefälliges fünfstöckiges Gebäude mit Bogenfenstern und einem Windlicht über dem Eingang, das angeblich noch von Louis Tiffany entworfen worden war.
Zoe Kohler hatte einen festen Termin um sechs Uhr abends an jedem ersten Donnerstag im Monat. Dr. Stark hatte sie zu überzeugen versucht, daß diese monatlichen Besuche überhaupt nicht notwendig seien.
»Ihr Gesundheitszustand erfordert das ganz und gar nicht«, hatte er gesagt, »jedenfalls nicht, solange Sie regelmäßig jeden Tag ihre Medikamente nehmen. Sie sind an sich in ausgezeichneter gesundheitlicher Verfassung. Es reicht, wenn ich Sie mir zweimal im Jahr ansehe.«
»Ich würde lieber jeden Monat zum Nachsehen kommen«, hatte sie beharrt. »Man kann nie wissen.«
Er hatte mit seinen mächtigen Schultern gezuckt und etwas Zigarrenasche von den Aufschlägen seines weißen Baumwolljacketts gebürstet. »Wenn Sie sich dann besser fühlen. Aber was soll ich denn jeden Monat für Sie tun?«
»Ach…« hatte sie gesagt, »das Übliche.«
»Und was betrachten Sie als das Übliche?«
»Gewicht und Blutdruck. Die Lungen, Urin- und Blutuntersuchungen. EKG. Untersuchung von Brüsten und Becken. Ein Abstrich. Das Übliche eben.«
»Jeden Monat ein Abstrich?« hatte er ausgerufen. »Zoe, das ist in Ihrem Fall absolut unnötig. Ein- oder zweimal im Jahr reicht vollkommen aus, das
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