Die dritte Todsuende
Hastig fügte er hinzu: »Natürlich nicht so gut wie Sie, aber ich habe mich gefragt, wo Sie es wohl gekauft haben, und ob…« Seine Stimme erstarb.
Sie lächelte ihn an. »Danke«, sie spähte auf sein Abzeichen, als hätte sie es jetzt erst erblickt, »danke, Jerry. Ich muß Ihnen aber leider mitteilen, daß das Geschäft, wo ich es gekauft habe, inzwischen Pleite gemacht hat.«
»Oh«, sagte er, »das ist Pech. Aber vielleicht könnten Sie mir ein anderes Geschäft nennen, wo ich etwas Hübsches kaufen kann.«
Sie hatten sich einander jetzt zugewandt, und er versuchte standhaft, seine Augen auf ihr Gesicht zu konzentrieren, obwohl sie immer wieder zu ihren Schultern und dem Ausschnitt herabsanken.
Sie unterhielten sich eine Weile. Er kam aus Little Rock, Arkansas, wo er als Filialleiter einer Schnellimbiß-Kette, die Hühnchensteaks verkaufte, tätig gewesen war, ehe er beschlossen hatte, selber eine Konzession zu erwerben.
Sie berührte die Narben auf seinem Handrücken.
»Was haben sie da?« fragte sie. »Eine Kriegsverletzung?«
»Oh nein«, sagte er und lachte zum erstenmal. Er hatte ein nettes, einfältiges Lachen. »Eine unserer Fritteusen hat Feuer gefangen. Das wird schon wieder heilen, irgendwann.«
»Ich heiße Irene«, sagte sie sanft.
Er bestellte zwei weitere Runden und setzte sich neben sie. Sie preßte ihren Schenkel gegen seinen. Er zog hastig sein Bein weg. Dann kehrte es zurück.
»Ziemlich laut hier«, sagte Jerry unmutig. »Man kann sich gar nicht richtig unterhalten.«
»Wo wohnen Sie, Jerry?« fragte sie.
»Was?« fragte er. »Ich kann Sie nicht verstehen.«
Sie brachte ihren Mund dicht an sein Ohr, dicht genug, um es zu berühren. Sie wiederholte ihre Frage.
»Was, wie, direkt hier im Hotel natürlich«, sagte er überrascht. »Im vierzehnten Stock.«
»Haben Sie irgendwas Trinkbares in Ihrem Zimmer?«
»Ich habe eine Flasche Whiskey, fast voll«, sagte er und starrte sie an. »Bourbon. Ganz süffig.«
Sie brachte ihre Lippen wieder dicht an sein Ohr. »Wir könnten eine kleine Party feiern«, flüsterte sie. Ihre Zunge stieß pfeilschnell vor und wieder zurück.
»Ich habe so was noch nie vorher gemacht«, sagte er heiser. »Ich schwöre Ihnen, es ist das erste Mal.«
Außer ihnen war noch ein weiteres Paar im Fahrstuhl, aber nur bis zum neunten Stock. Danach fuhren sie allein weiter.
»Haben Sie bemerkt, daß es keinen dreizehnten Stock gibt«, sagte er nervös. »Nach dem zwölften kommt gleich der vierzehnte. Die haben sich wahrscheinlich gedacht, daß niemand ein Zimmer im dreizehnten Stock haben möchte. Aber ich wohne im vierzehnten, der eigentlich der dreizehnte ist. Mir macht das nichts aus.«
Sie legte die Hand auf seinen Arm. »Sie sind süß«, sagte sie.
»Ehrlich?« fragte er erfreut.
Sobald sie in seinem Zimmer waren, bestand er darauf, ihr Fotos aus seiner Brieftasche zu zeigen — seine Frau, sein Haus, seinen Hund.
Zoe sah eine rundliche Blondine, ein nacktes, im Entstehen begriffenes Haus ohne Garten und einen wunderschönen Hund.
»Jerry, Sie müssen ein sehr glücklicher Mann sein«, sagte sie und berührte die Bilder immer nur an den Rändern.
»Und wie!«
»Haben Sie Kinder?«
»Nein«, sagte er knapp. »Keine Kinder. Noch nicht.«
Sie schätzte ihn auf Ende Dreißig, Anfang Vierzig. Keine Kinder. Das war Pech. Aber seine Witwe würde sich wieder verheiraten. Sie war dieser Typ Frau.
Er kramte in seinem offenen Koffer herum und brachte eine fast volle Halbliterflasche Bourbon zum Vorschein.
»Voilà«, sagte er und sprach es »Viola« aus. Zoe war sich nicht sicher, ob er einen Scherz machte oder nicht.
»Ich überspringe eine Runde«, sagte sie. »Ich bin etwas beschwipst. Aber lassen Sie sich dadurch nicht irritieren.«
Er goß sich einen kleinen Schluck in ein Wasserglas. Seine Hand zitterte; der Flaschenhals klirrte gegen den Rand des Glases.
»Hören Sie«, sagte er, ohne sie anzublicken, »wie ich Ihnen eben gesagt habe, ist das hier das erste Mal, daß ich so was mache, so wahr mir Gott helfe. Ich muß Ihnen gegenüber ehrlich sein; ich weiß nicht, ob Sie…«
Er blickte sie hilflos an.
Sie trat auf ihn zu und lächelte zu ihm auf.
»Ich weiß, was Sie sich fragen«, sagte sie. »Sie fragen sich, ob ich Geld verlange und ob Sie mich vorher oder nachher bezahlen sollen. Stimmt's?«
Er nickte stumm.
»Jerry«, sagte sie sanft, »ich bin keine Professionelle, falls Sie das denken sollten. Es macht mir lediglich Spaß, hier
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