Die dritte Todsuende
»angenommen, mehr Frauen schlucken Pillen, trinken und rauchen — aber was beweist das alles?«
»Nur noch ein paar Zahlen«, sagte er und blätterte in seinen Unterlagen. »Hier: Frauen stellen ungefähr einundfünfzig Prozent der Bevölkerung. Aber alles Beweismaterial läßt darauf schließen, daß sie weit mehr als die Hälfte der Geisteskranken stellen. Auf hundert Männer werden hundertsiebenunddreißig Frauen wegen Depressionen in die Heilanstalten eingewiesen, und bei den ambulanten Patienten stehen den hundert Männern zweihundertachtunddreißig Frauen gegenüber.«
»Depressionen!« sagte sie höhnisch. »Ist dir noch nie in den Sinn gekommen, daß es vielleicht einen guten Grund dafür geben könnte,«
»Nicht nur Depressionen«, unterbrach er sie, »sondern auch Wahnsinn. Sogenannte ›emotionale Störungen‹ und darunter leiden schätzungsweise zweimal so viele Frauen wie Männer.«
»Als Resultat der —«
»Monica!« rief er verzweifelt. »Ich habe dir gesagt, die Ursachen interessieren mich nicht. Wenn du mir erzählst, daß Drogensucht — einschließlich Alkohol und Nikotin — und Nervenkrankheiten auf die ehemalige Rolle der Frau in der Gesellschaft zurückzuführen sind, dann glaube ich dir gern. Mir geht es nur darum, bestimmte Züge im Wesen der Frauen zu isolieren. Der ›neuen Frauen‹. Ich werte oder urteile nicht. Ich gebe dir nur die Zahlen. Prozente haben kein Bewußtsein, sie wollen auf nichts hinaus. Sie existieren, mehr nicht. Sie können auf hundert verschiedene Weisen interpretiert werden.«
»Und ich weiß, daß du sie als ein Ergebnis der Frauenbewegung interpretierst«, sagte sie scharf.
»Verdammt noch mal!« sagte er wütend. »Hörst du mir jetzt zu oder nicht? Das einzige Interesse, das ich an diesen Zahlen habe, besteht in dem Hintergrund, den sie mir zu meiner Theorie geben könnten, daß der Hotel-Ripper eine Frau ist.«
Er hielt kurz inne, ehe er weitersprach. »Monica, wir haben nicht die geringste Ahnung, wie der Killer aussieht. Wir wissen, er ist einen Meter fünfundsechzig bis ein Meter siebenundsechzig groß und trägt eine Perücke. Wenn es sich aber um eine Frau handelt, können wir andere Punkte erraten. So ist sie, zum Beispiel, sehr wahrscheinlich jung, sagen wir zwischen zwanzig und vierzig, denn sie ist kräftig genug, um einem Mann die Kehle aufzuschlitzen, und jung genug, um noch ihre Periode zu bekommen. Wir wissen auch, daß sie gerissen ist. Sie plant sorgfältig und besitzt genügend Kaltschnäuzigkeit, um einen bestialischen Mord zu begehen und sich anschließend alle eventuellen Blutflecke vom Körper zu waschen, ehe sie den Tatort verläßt. Sie achtet darauf, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Diese Recherchen nun geben uns zusätzliche Hinweise darauf, was und wie sie noch sein könnte. Sie ist sehr wahrscheinlich abhängig von verschreibungspflichtigen Drogen, Alkohol oder Nikotin — wahrscheinlich einer Kombination von allen dreien. Die Chancen stehen gut, daß sie an Depressionen oder Wahnsinn oder beidem leidet. — Ich versuche lediglich, ein Profil zusammenzusetzen, das uns am Ende ein genaueres Bild der Frau vermitteln kann, mit der wir es zu tun haben.«
»Glaubst du, sie ist Feministin?« fragte Monica.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich weiß es einfach nicht und möchte auch nicht raten. Aber ich glaube, daß die große Mehrheit der Frauen in diesem Land von der Frauenbewegung beeinflußt worden ist, ob sie sich aktiv darin betätigen oder nicht.«
Monica brütete einen Moment schweigend vor sich hin. Sie starrte blinzelnd auf ihre Hände. Dann stellte sie die Frage, die Delaney gehofft hatte, vermeiden zu können. Aber, gestand er sich trocken ein, er hätte wissen müssen, daß Monica sofort zum Kernpunkt vorstoßen würde.
Sie blickte ihn an und fragte: »Hat sich Handry auch mit den aktuellen Kriminalitätsstatistiken beschäftigt?«
»Die Zahl der verhafteten Frauen wächst. Schneller als die der Männer.«
»Auch was Mord betrifft?«
Er mußte ehrlich sein. »Nein, es gibt keinen Beweis, daß die Rate der von Frauen begangenen Morde steigt. Aber die Festnahmen wegen Raub, Einbruch und Autodiebstahl übersteigen die der Männer bei den gleichen Delikten. Bei Ladendiebstahl, Unterschlagung und Betrug sieht es noch schlimmer aus. Generell gesprochen begehen Frauen heute vergleichsweise mehr Eigentumsdelikte als Männer. Das trifft allerdings nicht auf Gewaltverbrechen wie Mord oder Totschlag zu.«
»Oder
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