Die dritte Todsuende
in die offene Flamme hält oder ihr Baby in kochendes Wasser wirft.«
»Edward, das ist etwas anderes!«
»Wie anders? Wo ist da das Verbrechen aus Leidenschaft? Wo sind Eifersucht, Rache oder Haß?«
»Die Frau, die ein Kind mißhandelt, steht unter enormem Druck. Sie wurde als Kind wahrscheinlich selbst mißhandelt. Sie ist in den Käfig eines Lebens ohne Hoffnung gesperrt, zu einer Sklavin herabgewürdigt worden. Das arme Kind ist der nächste Blitzableiter, die einzige Zielscheibe. Sie würde vielleicht lieber die Hand ihres Mannes über die offene Flamme halten, aber das kann sie nicht, und so läßt sie ihr ganzes Elend und all ihre Frustrationen an dem Kind aus.«
Er schnaubte. »Eine sehr gefällige Erklärung, nur kaum eine Rechtfertigung dafür, daß man ein Baby verbrüht. Aber laß uns die Motive eine Minute hintenanstellen. Motive interessieren mich im Moment nicht. Ich will dich nur davon überzeugen, daß Frauen genau wie Männer zu sinnloser, blutiger Gewalt fähig sind.«
Monica schwieg. Ihre Hände umklammerten Nadeln und Wolle in ihrem Schoß. Ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepreßt, ihr Gesicht angespannt. Delaney kannte diesen Ausdruck nur zu gut, aber er redete weiter.
»Du kennst eure Geschichte«, sagte er. »Frauen waren ganz und gar nicht immer die unterdrückten, zurückhaltenden, zarten, weiblichen Geschöpfe, die Kunst und Literatur aus ihnen gemacht haben. Sie waren Soldaten, harte Kämpfer, haben viele grausame und bittere Fehden ausgefochten, in allen Stämmen und Nationen. Auch heute noch tun sie das an vielen Orten überall auf der Welt. Früher war es so, daß das Schlimmste, was einem gefangenen Soldaten passieren konnte, darin bestand, den Frauen der gegnerischen Armee ausgeliefert zu werden. Was dann aus ihm wurde, möchte ich lieber nicht im Detail beschreiben.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Nur darauf, daß den Frauen von ihrer Natur, ihren Genen oder Instinkten her nichts innewohnt, was sie davon abhalten würde, auch völlig Fremde auf grausame Weise zu ermorden, wenn sie dazu getrieben, wenn sie Opfer von Begierden oder Lüsten werden, die sie nicht kontrollieren können. Tatsächlich würde ich sogar annehmen, daß sie für diese Art von Gewalt empfänglicher sind als Männer.«
»Das ist die sexistischste Bemerkung, die ich je von dir gehört habe.«
»Sexistisch«, sagte er mit einem kurzen Lachen. »Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis du wieder damit anfängst. Die typische Reaktion. Jede Bemerkung, der man auch nur andeutungsweise entnehmen kann, Frauen wären möglicherweise weniger vollkommen, wird sofort mit dem Etikett ›sexistisch‹ versehen. Willst du behaupten, Frauen wären wirklich die sanften, damenhaften und schwachen Wesen, zu denen sie eurer Meinung nach sonst nur durch männliche Vorurteile und Diskriminierung gemacht wurden?«
»Ich behaupte nichts dergleichen. Es stimmt, daß die Frauen wegen der Einstellung der Männer bisher nicht ihr volles Potential entfalten konnten. Aber Massenmörder zu werden, gehört nicht zu diesem Potential. Solche Dinge hätten Frauen zu jeder Zeit tun können, aber sie haben es nicht. Du hast selbst gesagt, daß die Polizei nicht zuletzt deswegen nach einem männlichen Ripper Ausschau hält. Weil es keinen Präzedenzfall dafür gibt, daß Frauen je solche Verbrechen begangen hätten.«
Er blickte sie nachdenklich an, die Fingerspitzen an die Lippen gelegt.
»Würdest du mir zustimmen, daß Frauen die emotionale und körperliche Befähigung zum Massenmörder besitzen? Daß es nichts in der weiblichen Psyche gibt, das dagegen spräche? Es hat Frauen gegeben, die vielfach getötet haben, gewöhnlich aus Gier, und die mit ihren Opfern bekannt waren. Ich bitte dich jetzt ja nur, einen kleinen Schritt weiter zu gehen und zuzugeben, daß Frauen fähig sein könnten, völlig Fremde ohne offensichtliches Motiv umzubringen.«
»Nein«, sagte sie mit Entschiedenheit, »ich glaube nicht, daß sie so was tun könnten. Du hast selbst gesagt, es gibt keine Präzedenzfälle. Keine ›Daughters of Sam‹.«
»Richtig«, stimmte er zu. »Und deswegen suchen sie alle jetzt nach einem männlichen Ripper. Aber ich glaube, sie irren sich.«
»Nur weil du der Meinung bist, Frauen seien grundsätzlich fähig zu morden?«
»Deswegen und wegen der für Frauen typischen Mordwaffe, wegen der mangelnden Hinweise auf einen Kampf, wegen der Tatsache, daß die heterosexuellen Opfer nackt
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