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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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der Küche kam.
    »Wo bist du gewesen?« wollte sie wissen.
    »Spazieren«, sagte er.
    »Ivar Thorsen sitzt im Arbeitszimmer«, sagte sie. »Er wartet seit fast einer Stunde auf dich. Ich habe ihm einen Drink angeboten.«
    Delaney grunzte.
    »Du scheinst schlechte Laune zu haben«, sagte sie. »Genau wie Ivar. Häng deinen Mantel über die Badewanne zum Abtropfen.«
    Er tat wie geheißen. Dann ging er ins Arbeitszimmer.
    Deputy Commissioner Ivar Thorsen stand auf, den Drink in der Hand.
    »Hallo, Ivar«, sagte der Chief.
    »Wie, zum Teufel, konntest du wissen, daß es gestern nacht einen Mord geben würde?« fragte Thorsen laut, fast brüllend.
    Delaney starrte ihn an. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er, »und höchstwahrscheinlich wirst du sie nie zu hören kriegen, wenn du mich weiter so anschreist.«
    Thorsen holte tief Luft. »Oh, Gott«, sagte er mit einem Kopfschütteln, »ich scheine kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen. Es tut mir leid, Edward. Ich entschuldige mich.«
    Er trat vor, um dem Chief die Hand zu geben. Dann ließ er sich wieder in den Sessel sinken. Delaney schenkte ihm nach und goß einen ordentlichen Schluck Whiskey in ein zweites Glas. Sie prosteten sich zu, ehe sie tranken.
    Im New York Police Department hatte Ivar Thorsen den Spitznamen »Der Admiral«, und seine Erscheinung rechtfertigte jeden Buchstaben davon. Er war ein großer, schlanker Mann, der sich so gerade hielt und so eckige Schultern besaß, daß man munkelte, er trüge unter dem Jackett noch den dazugehörigen Bügel.
    Seine Gesichtszüge waren so makellos, daß sie eigentlich auf eine Briefmarke gehörten. Seine kurzgeschnittenen, energisch gebürsteten weißen Haare glänzten wie Chrom.
    Seine blaßblauen Augen wirkten freundlich, aber seine Untergebenen wußten ein Lied davon zu singen, wie sie plötzlich dunkler werden und zu funkeln beginnen konnten. »Nichts ist leichter, als mit Thorsen klarzukommen«, hatte einer seiner Assistenten einmal bemerkt, »man braucht bloß vollkommen zu sein.«
    »Wie geht es Karen?« fragte Delaney, wobei er sich auf Thorsens schwedische Frau bezog.
    »Danke, gut«, antwortete der stellvertretende Commissioner. »Wann kommt ihr beide, Monica und du, mal wieder zum Essen zu uns?«
    »Wann immer du willst.«
    Dann blickten sie sich schweigend an, bis Thorsen schließlich fragte: »Wer fängt an, du oder ich?«
    »Du«, sagte Delaney.
    »Wir haben da unten ein paar Probleme«, verkündete der Admiral.
    »Ihr habt da unten immer ein paar Probleme«, antwortete Delaney. »Was gibt's sonst Neues?«
    »Dieser Hotel-Ripper macht uns verdammt zu schaffen. Es ist fast so schlimm wie damals mit Son of Sam. Vielleicht schlimmer. Heute hat das Büro des Gouverneurs angerufen. Wir werden aus allen Ecken angeschossen, von den Politikern genauso wie von den Geschäftsleuten.«
    »Du weißt, was das Department mich kann.«
    »Ich weiß, was du sagst, was es dich kann. Aber erzähl mir nicht, ein Mann, der so viele Jahre darin verbracht hat wie du, könnte abseits stehen, wenn das Department jede Hilfe braucht, die es kriegen kann.«
    »Geigenmusik«, sagte Delaney. »Herzen und Blumen.«
    Thorsen lachte. »Kein Wunder, daß man dich Eisenschädel genannt hat. Aber vergessen wir mal die Probleme des Departments für eine Weile. Reden wir von deinen Problemen.«
    Delaney blickte überrascht auf. »Ich habe keine Probleme.«
    »Sagst du. Aber ich weiß es besser. Ich habe eine Menge alter Bullen in Pension gehen sehen, und ich habe auch gesehen, was aus ihnen wurde, sobald sie den Harnisch abgelegt hatten. Ein paar von ihnen werden damit fertig, aber nicht viele.«
    »Ich werde damit fertig.«
    »Du wärst überrascht, wie viele einfach tot umfallen, ein oder zwei Jahre, nachdem sie ihre Marke zurückgegeben haben. Herzattacke oder Schlaganfall, Krebs oder blutende Magengeschwüre. Ich weiß über die medizinischen oder psychologischen Ursachen nicht Bescheid, aber das Phänomen existiert. Wenn der Druck plötzlich nachläßt, der Streß verschwindet und keine Probleme mehr zu lösen sind, wenn Tempo und Ehrgeiz wegfallen, dann bricht der Körper einfach zusammen.«
    »Ist mir bisher nicht passiert«, sagte Delaney stur. »Ich bin bei bester Gesundheit.«
    »Oder sie werden mit der Freiheit nicht fertig«, fuhr der Admiral fort. »Kein Büro, in das man gehen kann. Kein fester Rhythmus mehr. Keine Fachsimpelei. Das ganze Leben hat sich um das Department gedreht, und plötzlich ist man draußen.

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