Die dritte Weissagung
er sich nicht?«
»Weil er zu schwach ist, dieser Narr! Er mag euch und den Menschen überlegen gewesen sein, aber meinen Zorn hätte er nie herausfordern dürfen. Und außerdem .«
»Ja?«
». trägt er das Tuch!«
»Eines von der Art, mit dem du auch mich gefügig gemacht hast?«
Er schüttelte den Kopf. »Verschiedener könnten zwei Zauber kaum sein. Vor langer Zeit erbat ich mir ein Sortiment von Tüchern von einer guten Freundin, die in der Oase El Nabhals ein und aus geht. Sie heißt Nona, aber dieser Name wird dir nichts sagen. Sie ist eine Wölfin.«
»Eine Wölfin? Du hast ein Tier zur Freundin?«
»Sie wird nur zum vollen Mond zum Tier.«
»Eine Werwölfin ...« Irina nickte begreifend. Ihr Blick wanderte zu Rasputin, der nicht mehr klatschte, sondern beide Hände vor das Gesicht gehoben hatte, als wollte oder könnte er das Treiben um sich herum nicht mehr mitansehen.
Irina begriff nicht, daß sie von diesem knochigen, düsteren Mann einmal hatte angetan sein können.
»Schone ihn«, flüsterte sie.
»Rasputin?«
Sie schüttelte den Kopf und nickte hin zu Ilja. »Ihn.«
»In einem lasse ich vielleicht noch mit mir reden«, sagte Landru. »Ich erspare ihm das Leid, das ich ihm als Strafe auferlegen wollte, wenn du dich bereiterklärst, ihn zu erlösen.«
Ihre Augen weiteten sich. »Du meinst - umbringen? Ich soll ihn für dich umbringen?«
»Für mich? Nein. Es war nur ein Angebot. Du mußt es nicht annehmen. Offen gestanden, ich würde es bedauern, wenn du es tätest. Er sollte nicht so billig davonkommen.«
»Wie willst du ihn richten?«
»Das wirst du gleich erleben. Und anschließend .«
. .. wird er mich töten.
Sie verließ sich auf ihren Instinkt, und der sagte ihr, daß der Mörder einer ganzen Sippe keinen Zeugen seiner ruchvollen Tat dulden würde. Es hätte aller Logik widersprochen. Landru wußte, daß sie auf Rache sinnen würde. Daß sie sämtliche Hebel in Bewegung setzen würde, um ihn zur Verantwortung zu ziehen.
». widme ich mich dir«, vollendete Landru den Satz.
»Was heißt das?«
»Auch das wirst du erleben.«
Landru kehrte ihr den Rücken, als wollte er ihr sagen: Sieh her, ich fürchte dich nicht! Du kannst mir nichts anhaben - niemand kann das!
»Wie .« Sie räusperte sich. »Wie hast du den Kelch verlieren können? Falls du tatsächlich sein Hüter warst.«
»Ich habe ihn nicht verloren. Er wurde mir gestohlen.«
»Gestohlen? Aber wie -?«
»Genug! Es reicht. Ich bin erschöpft.«
Landru war neben den Thron getreten und hob nun seine Hände, so daß sich Daumen und Mittelfinger berührten und eine Art Krone formten, die er dem Verhüllten Oberhaupt aufsetzte.
Wieder schienen Entladungen aus seiner Haut zu treten, die an Elmsfeuer erinnerten, welche einen Schiffsmast umtanzten.
Die Flammen schlugen in das Tuch, das Iljas Haupt verbarg. Es sah aus, als würde sich unter dem hauchfeinen Gewebe abrupt ein Vakuum bilden. Eng wie eine zweite Haut lag es um den Schädel des Vampirs. Die Erhebungen und Konturen zeichneten sich deutlich darunter ab. Augenwülste, Nase, Lippen, Kinn, Ohrmuscheln ...
Er will ihn ersticken, dachte Irina.
Bis zu diesem Moment hatte sie nicht geglaubt, daß dies möglich sei. Ein Vampir, der erstickte oder ertrank, das gab es nicht. Er mochte in einen scheintotartigen Zustand verfallen, in eine Art Winterschlaf - aber sobald die äußeren Bedingungen es wieder ermöglichten, würde er aus seiner Stasis zurückkehren, würde Stunden, Tage, Jahre später den jäh beendeten Atemzug vollenden und seine Existenz fortführen!
Nur wenige Eingriffe in den Organismus eines Vampirs konnten das magische zweite Leben beenden: ein Genickbruch, ein Stich ins Herz, das Verbrennen der kompletten Hülle oder das Zerstückeln derselben .
Dann erkannte sie ihren Irrtum, in dem Moment, als sich Ilja urplötzlich auf seinem Thron aufbäumte - oder es versuchte, denn er schaffte nur wenige Zentimeter - und das Geräusche erklang, das Irina schon tausendmal gehört hatte: brechende Knochen.
Das Tuch hatte nicht aufgehört, sich zusammenzuziehen, hatte sich nicht damit begnügt, den Kopf des Vampirs eng wie dessen Haut zu umschmiegen!
»Nein! Was tust du ...?«
Landru stand wie ein schrecklicher Götze neben dem Delinquenten. Er achtete nicht auf Irinas Versuch einer neuerlichen Einmischung.
Kalt wie ein Insektenforscher studierte er das »Experiment«, das er in Gang gesetzt hatte.
Als das Knirschen erst einmal begonnen hatte, ging alles
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