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Die dritte Weissagung

Die dritte Weissagung

Titel: Die dritte Weissagung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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in seinem Sinne beeinflußt und zu seiner Gehilfin gemacht hatte.
    Etwas Aufsehenerregendes ging vor, und Irina mußte diesen Ereignissen auf den Grund gehen. Denn vielleicht gab es Aufschluß über den Verbleib des Lilienkelchs. Womöglich würde sie den verlorenen Gral sogar finden, in jenem Dörflein namens .
    *
    ... Fatima, in der Provinz Estramadura
    Draußen im Stall wurde das Vieh unruhig.
    Francisco hörte die Laute der Tiere wie einen gedämpften, disharmonischen Chor.
    Ein flüchtiges Grinsen ging über das Gesicht des Jungen, als er dachte, daß die sonntäglichen Gesänge in der kleinen Dorfkirche manchmal doch ganz ähnlich klangen wie dieses Murren des Viehs.
    Dann erlosch sein Lächeln. Weil er sich selbst mit den Tieren ver-glich. Denn wie sie war er eingesperrt, noch dazu von gleicher Hand!
    Sein Vater hatte Francisco verboten, das Haus zu verlassen. Und jetzt, in der Nacht, hatte sein alter Herr gar die Tür von außen verriegelt, auf daß sein Sohn nicht ausriß.
    »Es ist nur zu deinem Besten, mein Junge«, hatte Vater gesagt, und der Junge hatte ihm seine Beweggründe sogar geglaubt. Was freilich nicht bedeutete, daß er sie auch guthieß oder gar akzeptierte.
    Vater wußte gar nicht, was er ihm mit dem Arrest vorenthielt! Etwas so Wunderbares, wie es kaum ein Mensch außer Francisco je erfahren hatte!
    Ein . Wunder eben. Nicht mehr, nicht weniger als ein echtes, ein wahrhaftiges Wunder.
    Ihm, einem gerade mal zwölfjährigen Jungen, war es zuteil geworden. Ihm und seinen besten Freundinnen Jacinta und Lucia. Sie hatten etwas schauen dürfen, von dem die meisten Menschen auf dieser Welt glaubten, es sei unmöglich. Und sie hatten Dinge erfahren, die .
    Francisco stockte in seinen Überlegungen, als habe sich etwas in das Räderwerk seiner Gedanken geschoben, um ihren Lauf zu stoppen. Fast meinte er, hinter seiner Stirn tatsächlich ein Knirschen zu hören, mit dem die Maschinerie seines Denkens abrupt zum Stillstand kam.
    Der Junge setzte sich auf seinem Bett auf. Sein Blick fiel durchs Fenster, und der beinahe volle Mond, silbrig hell und narbig, schien ihm riesengroß, größer denn je zuvor - und lockend. Als riefe ihn etwas aus diesem bleichen Licht, mit unhörbarer Stimme zwar, aber unwiderstehlich.
    Keine Tür und kein Verbot durften Francisco davon abhalten, diesem Ruf zu folgen. Und keine Strafe, die folgen mochte, konnte ihn schrecken.
    Vielleicht durfte er das Wunder noch einmal erleben!
    Und vielleicht wäre es zum letzten Mal .
    Diese Aussicht rechtfertigte jeden Preis. Mochte sein Vater ihn später auch windelweich prügeln, es kümmerte Francisco nicht; nicht in diesem Moment, da nur ein Gedanke in ihm Platz hatte, lautlos gewispert von einer Stimme, die dem Jungen vertraut geworden war, seit er sie zum ersten Mal empfunden hatte. Um sie noch einmal wirklich zu hören und ihre Schönheit noch einmal zu schauen, dafür hätte Francisco alles gegeben, womöglich gar sein junges Leben.
    Aber ein solcher Handel stand nicht zur Debatte. Niemals hätte sie solches von ihm verlangt!
    Denn sie war . die Güte selbst.
    *
    Das dürre Gestrüpp, das den Fuß der Hauswand säumte, vermochte Franciscos Aufprall kaum zu dämpfen. Hinter fest aufeinandergepreßten Zähnen hielt er einen Schmerzenslaut zurück.
    Aber er gönnte sich keine Sekunde, um den Schmerz zu verdauen. Geduckt huschte er davon, bis ihn der Schatten des Schuppens aufnahm, der ein paar Schritte entfernt vom Haus windschief aufragte.
    Erst in dessen Schutz verharrte der Junge und lauschte mit angehaltenem Atem, ob Vater auf seinen Sprung aus dem Fenster aufmerksam geworden war.
    In der Ferne bellte ein Hund, heiser, dann fiel ein zweiter ein, und im Duett heulten sie den Mond an.
    Ansonsten rührte sich nichts, und hinter den Fenstern seines Vaterhauses blieb alles dunkel.
    Dennoch wartete Francisco noch zwei Minuten. Erst dann eilte er davon, die Dorfstraße entlang, zielsicher den Stolperfallen ausweichend, die von Karrenrädern in den Untergrund gegraben worden waren.
    Fatima bestand aus zwei, drei Handvoll Häusern, die ohne beson-dere Ordnung in der kargen Landschaft standen, gerade so, als habe ein Riese sie achtlos hingewürfelt und dann vergessen.
    Bald schon lag das Dorf hinter Francisco, und er strebte dem Hügel zu, der sich ein ganzes Stück jenseits des letzten Gehöftes erhob und den ein einsamer Baum krönte. Wie ein vielarmiges Skelett stand er da oben, die Glieder wie in einem irrsinnigen Tanz erstarrt.

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