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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nacht, vor allem, wenn man bei Emma Pischke gefeiert hat. Es dauerte auch eine Weile, bis geöffnet wurde. Wieselschnell schlüpfte Bossolo durch den Türspalt in das dämmerige, immer nach Alkohol und Gulasch riechende Lokal. Emma Pischke, zur Seite gestoßen von der aufgestemmten Tür, holte gerade tief Luft, um loszubrüllen, als sie Bossolo erkannte, den ›Sänger ihrer Seele‹.
    »Du?« fragte sie. »Um diese Zeit?« Sie warf die Tür zu und schob den dicken Eisenriegel vor. »Pietro, du hast was ausjefressen!«
    »Isch nischt – die anderen. Mamma –« er nannte Emma seit damals nur noch Mamma, was sie immer tief ins Herz traf – »Mamma mia, isch bitte … laß misch hier wohnen.« Er hob beide Hände, flehend, als bettle er um sein Leben, und als Emma genau hinsah, erkannte sie in seinen Augen auch das seltsame Flackern der Todesangst.
    »Wat is'n los?« fragte sie, faßte Bossolo am Kragen und zog ihn in die Gaststube. Sie hatte einen verfluchten Griff, und Bossolo kam sich vor, als würde man ihn wie ein nasses Wäschestück auf eine Leine hängen. Er plumpste auf einen Stuhl und faltete ergeben die Hände im Schoß. »Wat haste nu jemacht? Los, erzähl!«
    Bossolo starrte Emma Pischke an. Ihre grauen Haare waren mit Lockenwicklern übersät, dicke Rollen, die wie gerollte Schlangen aussahen. Auch das war heimatlich, erinnerte ihn an New York, wo die Frauen morgens mit diesen Dingern im Haar sogar einkaufen gingen, U-Bahn und Straßenbahn fuhren, Besuche absolvierten, Behördengänge erledigten. Niemand nahm Anstoß daran. Wie alles, was in Amerika unbewußt zur Uniform der Zivilisten wurde, waren auch die Lockenwickler alltäglich und gesellschaftsfähig.
    »Ich werde verfolgt …« sagte Bossolo mit Angst in der Stimme.
    »Von wem?«
    »Geheimdienste.«
    »Wie kann man nur so besoffen sein, Jungchen …«
    »Isch bin nicht betrunken, Mamma … Sie jagen mich!«
    »Biste denn 'n Spion? Pietro, wennste det bist, is unsre Freundschaft perdü! Ick kann alles tolerieren, nur keenen Spion! Sojar 'n Zuhälter is 'n Mensch für mich, und wenn eener Jeldschränke knackt, dan nehm ick mirn vor und hol ihn auf den Pfad der Tugend zurück … aba 'n Spion. Pfui Deibel! Los, wat is nun?«
    Pietro Bossolo entschloß sich, alles zu erzählen, um nicht seine neue Heimat und Mamma Emma zu verlieren. Emma Pischke hörte zu, ein massiger Turm aus Fleisch in einer schmuddeligen Kittelschürze, in Pantoffeln und ohne Strümpfe an den blaugeäderten Beinen. Erst, als Bossolo fertig war mit seiner Beichte, atmete sie laut aus, als habe sich ein Blasebalg randvoll mit Luft gefüllt.
    »Des is alles wahr?«
    »Isch schwöre es bei der Madonna, Mamma. Bei meiner Mutter.«
    »Und die versprochenen 10.000 Dollar? Die pusten se jetzt in de Röhre?«
    »Isch weiß nicht, wie ich kommen an diesen Mann.«
    »Det werden wir regeln.« Emma Pischke zeigte nach oben. »Geh 'rauf, Jungchen. Zimmer 4. Kannst hier wohnen. Aba vadienen mußte dir det Essen und det Bett. Spülen, kochen helfen. Wäsche waschen …«
    »Isch tue alles, Mamma, alles. Nur weiterleben will isch …«
    »Und daß de hier bist, hat keener jesehn?«
    »Nein. Als die beiden Männer, die mir gefolgt sind, auf der Toilette waren, bin ich einfach weggelaufen. Keiner hat misch gesehen …«
    »Dann bist hier bei Emma ooch sicher. Los, geh rauf. Leg dir hin. In zwei Stunden ruf ick dir. Dann wird jespült!« Bossolo erhob sich. Er wollte Emma Pischke die Hand küssen, aber sie gab ihm eine leichte Ohrfeige. Immerhin war sie so wuchtig, daß Bossolo gegen die Wand flog.
    »Laß det!« grollte sie. »Ick bin keene Katze, die man ableckt, Pietro!«
    Bossolo, schon auf der Treppe nach oben, drehte sich um. Er weinte vor Glück.
    »Ja, Mamma.«
    »Die 10.000 Dollar hol' ick für dich! Verlaß dir drauf. Du kannst dir deene Klitsche in Kalabrien koofen …«
    Die Angelegenheit wurde immer komplizierter und gefährlicher.
    Emma Pischke griff in das Geschehen ein.

Stadelheim
    Meine neue Zelle ist komfortabler als das miese Loch im Keller des Polizeipräsidiums. Man merkt sofort: Hier herrschen Dauerzustände, hier soll einem die Heimat ersetzt werden. Hier ist kein Durchgangsverkehr, sondern man ist auf langfristige Pensionsgäste eingestellt.
    Ich habe Zelle 367 im Trakt VI, dritter Stock. Mein Etagenkellner heißt Sepp Mittwurz, ist Oberwachtmeister, 50 Jahre alt und leidet an zu hohem Blutdruck. Der Kalfaktor, ein Trickdieb, ist ein Schwein. Man nennt ihn hier auf der Etage

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