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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Summe‹ … Ich sehe meine Theorie wieder bestätigt, daß dieser Mann die 50 überschritten hat, irgendwo in einer leitenden Position im Wirtschaftsleben steht und ein Biedermann ist wie Sie und ich! Das macht ihn nicht nur gefährlich, sondern weitet unsere Ermittlung ins Unermeßliche aus. Was sagt Bonn dazu?«
    Der vom Innenminister zu dieser Konferenz abgestellte Ministerialrat hob etwas hilflos die Schultern. »Wir zahlen«, sagte er mit belegter Stimme. »Aber wir vertrauen auf die Polizei.«
    »Gott erhalte Ihnen diesen Glauben.« Beutels lehnte sich zurück. Er holte eine Brasil aus der Innentasche und rauchte sie an. Brasil bedeutete – wir wissen es – gelindes Wohlwollen. »Herr Präsident, Ihre Meinung?«
    Der Polizeipräsident von München blickte hinüber zu Oberstaatsanwalt Dr. Herbrecht, dem Leiter der Sonderkommission. Aber dieser saß genauso still da wie Oberkommissar Abels und die anderen Herren von den verschiedenen eingeschalteten Dienststellen. Lediglich Jean-Claude Mostelle von der französischen Sûreté holte sich den Brief herüber und las ihn noch einmal durch. Ric Holden beschäftigte sich mit seiner Zigarette. Er dachte an seinen sowjetischen Kollegen Lepkin, der wenig von solchen Konferenzen hielt und sparsam mit Worten war, wenn es kritisch wurde. Ein völlig unrussisches Benehmen. Lepkin suchte Bossolo. Er war die einzige Spur ins Dunkel. Die frühere Verbindung zu Maurizio Cortone hielt Holden nicht für wichtig. Das Ding, das in München gedreht werden sollte, war etliche Nummern zu groß für Cortone. Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß Cortone aus New York verschwunden war. Nur eins war sicher: Das Plutonium stammte aus dem Überfall auf Harold Nimes' Transporter in der Wüste von New Mexico. Beutels, dieser alte Fuchs, hatte recht: Die Drohung von München war im Grunde eine amerikanische Angelegenheit.
    »Was tun wir nun?« fragte Beutels noch einmal. Die Entscheidungsunfreudigkeit aller am Tisch Versammelten regte ihn auf. Für ihn gab es nur einen Entschluß: Zahlen! Er erinnerte sich dabei an ein Gespräch mit einem Irrenarzt in der Heilanstalt Haar bei München. Beutels hatte damals einen Mörder verhört, der immer bei Föhn auf Opferjagd ging, sonst aber ein liebevoller Familienvater war. Ein Mann, der einer Krähe das gebrochene Bein schiente und sie gesund pflegte, der zwei Hunde hielt und jeden Jäger verdammte, weil er auf die wehrlose Kreatur schoß. Bei Föhn aber wurde er selbst zu einer mordlustigen Bestie. Damals hatte Beutels auch andere Abteilungen des riesigen Heimkomplexes besichtigt und sich mit Schizophrenen und Wahnirren unterhalten. Er lernte Napoleon kennen, die Frau, die mit dem Papst ein Kind hatte, und eine sehr vornehme alte Dame, die jede Woche einen langen Brief schrieb und darin verlangte, endlich als Königin von England anerkannt zu werden.
    »Man muß den Kranken zunächst zuhören und ihnen recht geben«, hatte der Arzt erklärt. »Reden lassen – das befreit. Denken Sie an einen Kessel, aus dem der Dampf nicht entweichen kann. Er platzt! Der Mensch ist nicht anders. Alles Irdische ist nach einem einheitlichen Prinzip aufgebaut, das muß man wissen. Unsere Welt ist in ihren offenen oder verborgenen Funktionen genormt. Dampf ablassen … das ist wichtig. Die Seele reinigen. Zuhören können, bis der Kranke erschlafft, bis er ›sauber‹ ist, leer, ein Gefäß, das man dann endlich mit der Therapie wieder auffüllen kann. Die wenigsten Menschen kennen eine der Grundregeln des Lebens: Duldsamkeit.«
    Beutels hatte diese Sätze gut behalten. Sie hatten ihm später beim Umgang mit seinen schweren Jungs sehr geholfen. Er ließ sie einfach reden, wenn er den Anstoß gegeben hatte … und sie erzählten oft mehr, als sie wollten. Mit ihren eigenen Worten webten sie das Netz, in dem sie dann zappelten wie hilflose Fische.
    Auch hier, bei dem größten Fall der Menschheitsgeschichte, konnte diese Lehre aus der Psychiatrie helfen: Reden lassen, beobachten. Erst später die Reste aufsammeln. Denn eines war sicher: Die Drohung – und sie war ernst – war aus einem kranken Hirn geboren. Nichts aber ist gefährlicher als ein krimineller Irrer. Er wird nur noch von einem übertroffen: von dem ehrgeizigen Politiker.
    »Wir werden allen Wünschen dieses Mannes nachgeben«, sagte der Polizeipräsident. Man hörte ihm an, daß ihm diese Worte schwer wie Steine über die Zunge rollten. »Er macht den größten Fehler überhaupt: Er gibt uns 30

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