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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Fahndungsmöglichkeiten.«
    »Ich nehme an, daß er das einkalkuliert hat.« Beutels blickte hinüber zu Holden. Der Amerikaner spielte mit seiner Camelpackung. Er stellte sie hin und schnippte sie mit den Fingern wieder um. Eine Art Hinrichtung. »Was sagt der Supermann vom CIA?«
    »Zahlen.«
    »Ach nein?«
    »Aber wir werden in den Bäumen eine elektronische Kamera mit Infrarot installieren.«
    »Unser ›Hirn‹ ist kein Schwachsinniger. Er wird nie selbst kommen, sondern Boten schicken. Was haben wir von 30 Boten, die ihrerseits wieder das Geld irgendwo ablegen sollen?«
    »Wissen Sie etwas Besseres?«
    »Nein!« Beutels faltete die Hände über dem Bauch. »Wir müssen auf Verdacht 29 Millionen opfern, um mit der dreißigsten die Spur aufzunehmen. Das ist der einzige Weg.«
    »Sehr gut.« Der Polizeipräsident atmete auf. »Und am 26. August greifen Sie zu, Beutels.«
    »Theoretisch ja. Aber da kann noch etwas passieren – – –«
    »Und was?«
    »Er holt die dreißigste Million nicht mehr ab. Weil er so denkt wie wir. Auch 29 Millionen Dollar sind ein Batzen Geld, der für einen sorglosen Lebensabend reicht. Dann ist er uns durch die Lappen gegangen.«
    »Das wird die Bundesregierung nie dulden!« rief der Ministerialrat aus Bonn.
    »Gut denn.« Beutels sprang auf, so plötzlich, daß die neben ihm Sitzenden erschrocken zusammenzuckten. »Dann lassen Sie 150.000 Menschen in die Luft sprengen. Ohne mich, mein Herr. Ich werde mich am 26. August vielleicht irgendwo in der Südsee befinden … jedenfalls weit weg von München …«

Schwabing
    Wer sie die ›Dicke Emma‹ nennen durfte, war nicht nur Stammgast, sondern auch Freund. Fremde Gäste und Laufkundschaft kannten sie nur als Frau Emma Pischke, ein Name, der verriet, daß die Urmünchnerin eigentlich aus Preußen stammte. Ihr Lokal lag in Schwabing, wo es noch dunstig, schmuddelig und romantisch war, weit ab von den Betonklötzen einer neuen Pseudokultur.
    Es war eine Kneipe, weiter nichts. Aber das ›weiter nichts‹ war eben der Zauber, der jeden einlullte, der in einem der drei Gasträume der ›Dicken Emma‹ sich an einen wackeligen Tisch setzte, den altersschwachen Stuhl zurechtrückte und ein Bier bestellte, das aus einem Zapfhahn sprudelte, der eigentlich in ein Museum gehörte.
    An den Wänden hingen Gemälde. Alte, verrußte, blinde, aber auch neue, grellfarbige, formenaufgelöste; dazwischen Kupferstiche, Rötelzeichnungen, rohe Entwürfe, Studien, Karikaturen, Presseillustrationen, Schutzumschlag-Entwürfe, Plakate … Wände voller Kredit, denn was hier die Tapeten ersetzte, waren in Zahlung genommene Werke von kleinen und auch großen Künstlern, die mehr Durst besaßen als Geld. Manchmal, wenn die ›Dicke Emma‹ selbst durch ein Bierfaß gekrochen war – wie sie Trunkenheit lyrisch nannte –, erklärte sie die Bilder: Das sei ein Mittagessen, Gulasch mit Nudeln, das da ein Kotelett mit Pommes frites, und diese Landschaft in Aquarell, Bergwiese im Allgäu, habe sich in Bargeld verwandelt. 50 Mark für eine Stunde Hurenliebe. Der Schöpfer der Alpenlandschaft hatte sich in einem Notstand befunden. Als er zurückkam zur ›Dicken Emma‹, malte er ihr aus Dankbarkeit an seinem Tisch neben der Theke noch schnell eine Studie des Dirnchens, das er genossen hatte: ein schlankes Mädchen, knabenhaft, mit großen Augen und knospenhaften Brüsten. Und die ›Dicke Emma‹ sagte böse:
    »Für so wenig Titten gibste 50 Mark aus? Du Idiot! Bei 'ner Frau gibt's ein Unten und ein Oben. Beides muß stimmen! Sie haben dir beschissen, Ludwig.«
    Aber die Zeichnung hängte sie auf wie alle ›Zahlungsmittel‹. Ein Kunstkenner hatte ihr bereits für eine Wand 30.000 Mark geboten – sie schmiß ihn raus und verbot ihm das Lokal. »Eene Insel hat Bäume!« schrie sie. »Die jeben Schatten. Ick hab hier meene Wände. An denen soll'n sich meene Freunde ausruhn!«
    Und so war es auch. Wer bei der ›Dicken Emma‹ an der Wand saß, war irgendwie weltentrückt. Er erholte sich von diesem Leben.
    Mit der Polizei hatte Emma Pischke wenig zu tun. Krakeeler gab es nicht bei ihr … wer es einmal versuchte – einmal kamen drei Rocker ins Lokal und spielten die wilden Männer –, hörte nach diesem einen Mal auch gleich wieder auf damit. Emma Pischke konnte zuschlagen, wie ein Bierkutscherpferd austritt. Sie machte wenig Gebrauch davon; meistens waren genug Männer im Lokal, die mit bloßen Oberarmen wortlos für Ordnung sorgten, nur durch ihre Anwesenheit.

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