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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nur ›das Stinktier‹, weil er immerzu, wo er steht, wo er geht, furzt. Er stammt aus Köln-Kalk, heißt Hannes Dulck und hat beste Beziehungen zur Gefängnisküche. Er frißt doppelte Portionen, was sein ewiges Furzen erklärt, platzt vor Kraft fast aus der Wäsche und bietet Zigaretten und sogar Zigarren an; dafür soll man ihm in die Hose fassen und ihn in sexuelle Phantasien versetzen. Auch bei mir fragte er an, auf jene Art, die ich so liebe. Er sagte:
    »Ei, was für ein schöner Neuzugang. Mein süßes Bärchen, wir werden uns gut verstehen …«
    Das war ein Irrtum. Ich trat ihn in den Hintern, als er vor mir herschwebte, mit wiegenden Hüften wie ein Mannequin, und antwortete:
    »Ehe ich anfange, schwul zu werden, kastriere ich mich lieber selbst.«
    Das war ein Fehler. In einem Knast ist nicht der Block-Wachtmeister der wichtigste Mann, sondern der Kalfaktor. Mit Sepp Mittwurz hatte ich schon nach einer Stunde meinen obligaten Kampf gegen das Beamtentum aufgenommen … mit dem ›Stinktier‹ sollte ich noch Schwierigkeiten tiefergreifender Art bekommen, das ahnte ich. Es begann beim nächsten Essenausteilen … Hannes Dulck kam in meine Zelle, ließ donnernd einen streichen und schwenkte die Kelle mit der Suppe. Klatsch, fiel das Krautgemisch auf meinen Teller, und ehe ich etwas unternehmen konnte, spitzte er die Lippen und spuckte hinterher, mitten ins Gemüse.
    Sekunden später hatte er den Teller im Gesicht. Bei der folgenden Vernehmung durch Oberwachtmeister Mittwurz schwor das ›Stinktier‹, ich habe ihn aus heiterem Himmel angegriffen. Er habe mir sogar einen eineinhalbfachen Schlag auf den Teller gegeben, gewissermaßen zur Eingewöhnung.
    Was half da alles Protestieren? Mittwurz glaubte dem ›Stinktier‹. Ein Blockaufseher ist auf seinen Gehilfen angewiesen … der nimmt ihm die ganze Kleinarbeit im Knast ab und ist außerdem das dritte Auge und das dritte Ohr. Wer einen Kalfaktor zum Gegner hat, wird frühzeitig pensionsreif. Mittwurz, im Gefängnisdienst ergraut und herzkrank geworden, konnte es sich nicht leisten, mir mehr zu glauben als Hannes Dulck.
    »Ich kenne Sie!« brüllte er mich an. »Ihr Ruf läuft ihnen voraus! Aber das sage ich Ihnen: Solche Mätzchen wie im Polizeipräsidium machen Sie bei mir nicht! Wir haben hier andere Möglichkeiten … und legale, versteht sich.«
    Der gute Oberwachtmeister Kunzelfrey. Er hatte seinem Kollegen in Stadelheim einen Bericht über mich gegeben. Eine Warnung unter Freunden: Dieser Journalist ist ein ganz gefährlicher. Ein Intellektueller. Seinen Auszug aus unserem Zellentrakt werde ich mit einer Lage Bier feiern. Und paßt auf, wenn er ›Fieber spielt‹. Er hat keins. Viermal hat er uns damit gescheucht. Ein Luder, sag' ich.
    »Temperatur?« fragte denn auch Mittwurz streng. Ich sah mich um.
    »Richtig. Hier fehlen Thermometer, Hydrometer und Barometer. Wenn ein Hoch kommt, werde ich immer euphorisch …«
    »Reden Sie hier keine Sauereien!« schrie Mittwurz. »Ihre schmutzigen Phantasien treiben wir Ihnen schon aus!«
    Ich wunderte mich, bis ich begriff, daß Mittwurz euphorisch nicht kannte und für eine Schweinerei hielt. Das machte mich irgendwie glücklich wie ein Kind, das einen neuen, lackierten Ball geschenkt bekommt.
    »Ihre Körpertemperatur?« bellte Mittwurz.
    »Ich nehme an 36,7.«
    »Also kein Fieber?«
    Ich lächelte vertraulich. »Nein. Noch nicht.«
    »Sie bekommen auch keins.«
    »Wer kann's bereden? Luftzug macht mich immer heiser. Ich bin ein zarter Jüngling.«
    An dieser Stelle muß ich etwas gestehen: Ich hatte stets einen falschen Eindruck vom Gefängnis gehabt. Für alle anständigen Menschen – ich nehme für mich eine gewisse Anständigkeit in Anspruch! – ist das Gefängnis eine Art Leprastation, die Insassen sind Ausgestoßene der Gesellschaft, der Gedanke allein, in einer Zelle zu leben, hinter einer dicken Eisentür mit Kläppchen, unter einem vergitterten Fenster mit Sichtschutzblenden, in einem blauen Arbeitsanzug mit Ärmelstreifen, erzeugt ein Gefühl von nie wieder zu tilgender Schande. Häftling, Gefangener, Sträfling … Vokabeln, bei denen der bürgerlichen Gesellschaft die Gänsehaut kommt. Ob man nun hinter die dicke Tür kommt, weil man falsch geparkt hat oder für vier Mark eine alte Witwe erschlug: – ob Verkehrssünder oder Mörder – für den Außenstehenden ist das gleich: ein Knastologe!
    Leute, alles ist anders! Das Gefängnis ist nicht Endstation – es ist nur eine andere Station, ein

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