Die Drohung
»Die Fahrkarte nach Braunschweig erstatte ich aus eigener Tasche zurück. Ich möchte wissen, was unser Unbekannter den wirklich vortrefflichen Schauspielern gezahlt hat! Und wir machen sie aktenkundig! Aber bei allem Witz … er hat wieder einen großen Fehler begangen …« Er blickte zu Ric Holden und nickte ihm zu. »Er hat uns einen bösen Mann übern großen Teich angekündigt. Ihre Gangsterbrut, Holden! Sie scheinen recht zu behalten: Das ist eine deutsch-amerikanische Firma, die uns da in den Himmel jubeln will!«
Ettstraße
Er stand gegenüber dem Haupteingang des Polizeipräsidiums, zog ab und zu an einer Zigarette, blickte in eine Zeitung und ging auch ein paarmal hin und her … bis zur Kaufingerstraße und zurück. Dabei schleppte er das linke Bein etwas nach, auch wenn er sich bemühte, das so unauffällig wie möglich zu machen. Meistens aber stand er herum, beobachtete die Leute, die im Präsidium ein und aus gingen und betrachtete vor allem die Männer genau, mit denen sich Kriminalrat Beutels blicken ließ. Die beste Zeit dazu war mittags – dann ging Beutels in eines der bayrischen Lokale auf der Neuhauser Straße oder der Kaufingerstraße essen, und meistens war er nicht allein, sondern schleppte eine kleine Mannschaft mit sich fort. Das entsprach seiner Ansicht, daß er nie außer Dienst sei.
Nach vier Tagen geduldigen Herumstehens wußte der leicht hinkende Mann, wer Ric Holden und Stepan Mironowitsch Lepkin waren. Am fünften Tag war ihm die Liebe zwischen Holden und Helga Bergmann nicht mehr fremd, und noch einen Tag später stellte er mit Befriedigung fest, daß Lepkin eine Stammbar hatte und mit Vorliebe den Cognac ›Prince de Polignac‹ trank.
Es war an einem warmen Juliabend, den Holden zu einem Ausflug an den Ammersee nützen wollte, als es bei ihm im Zimmer des Sheraton-Hotels klingelte. Holden unterbrach das Krawattebinden und hob das Telefon ab.
»Ja?« fragte er.
»Ich bin der Ansicht«, sagte eine höfliche, kultivierte Stimme in bestem Oxfordenglisch, »daß der CIA andere, größere Aufgaben hat, als die hilflose deutsche Polizei zu unterstützen.«
Holden durchschlug es wie ein Blitz. Die Stimme auf dem Tonband, das ›Hirn‹, das sich mit Bossolo unterhalten hatte. Ein Irrtum war ausgeschlossen … er hatte den Tonfall studiert, er war ihm im Ohr geblieben, und wenn diese Stimme jetzt auch englisch sprach, es blieb die fast gezierte Artikulation der einzelnen Worte, eine deutliche Freude an der Sprache.
»Wer sind Sie?« fragte Holden, nur um Zeit zu gewinnen. Er preßte den Gummisauger des Aufnahmegerätes an das Kunststoffgehäuse des Apparats und schaltete das Tonband ein. Es gab einen leisen, pfeifenden Laut. Der Mann am anderen Ende lachte leise.
»Jetzt läuft ein Band.«
»Erraten.«
»Das war nicht schwer. Aber was soll diese Spielerei? Was nützt Ihnen meine Stimme? Es gibt keine Vergleichsmöglichkeiten, weil Sie der Öffentlichkeit diese Bänder nie vorspielen dürfen. Das top secret ist mein bester Schutz. Ich lebe in der Angst vor einer Panik wie in einem Daunenkissen, warm und geschützt vor allen Stürmen.«
»Was wollen Sie?« Holden setzte sich auf die Tischkante. »Ich nehme nicht an, daß Sie eine Unterhaltung suchen.«
»Warum nicht? Sie heißen Richard Holden, und auf Sie setzt man die größten Hoffnungen, mich zu entdecken. Seit ich weiß, daß es Sie gibt, habe ich meine Pläne geändert.«
»Das haben wir erwartet.«
»Ich nehme an, Sie wollen sich in das Geschäft der Geldübergabe einschalten. Keine Polizei, habe ich verlangt … nun, Sie sind keine Polizei im üblichen Sinne, und ich hätte mich nach dem 28. Juli sehr gewundert, welche andere Gruppe sich am Kassieren beteiligt und mich nervös machen will.«
Holden schwieg. Er gab innerlich zu, vor diesem Mann Hochachtung zu empfinden. Da man nicht Gedanken lesen kann, bewunderte er die logische Leistung dieses Gehirns, sich sofort in die Position des Gegners hineinzudenken. Beutels lag nicht schief mit seiner Ansicht, daß die Intelligenz dieses Gegners so groß war, daß sie schon Irrsinn war. Eine geistige Überzüchtung, die kein Maß mehr kannte.
»So still, Mr. Holden?« fragte die höfliche Stimme.
»Ich bezwinge mich, nicht Beifall zu klatschen!« sagte Holden. »Aber da wir uns jetzt schon so nett unterhalten, gestatten Sie mir eine Frage.«
»Selbstverständlich.«
»Warum wollen Sie mit zwei Plutoniumbomben ein noch nicht übersehbares und berechenbares Chaos
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