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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war. Beutels schloß sich mit ihr in sein Zimmer ein, räumte seinen Schreibtisch ab und sagte fröhlich:
    »Nun legen Sie mal los!«
    Er sollte sich wundern.
    Emma-Luise Schibula blätterte ihre Karten auf die Platte, schloß die Augen, konzentrierte sich, bog dann den Zeigefinger der rechten Hand krumm und begann leise murmelnd auf die Karten zu tippen und abzuzählen.
    Beutels rauchte gemütlich eine Sumatra, Ausdruck großen Wohlgefühls. Er erinnerte sich an seine Mutter. Auch sie hatte – für den Hausgebrauch – Karten gelegt. Da wurde beispielsweise Besuch angekündigt: ein Mann übern kurzen Weg (es war der Gasmann), eine Frau auf Umwegen (Tante Hilda kam aus Dresden zu Besuch) und ein aufregendes Ereignis (das Wasserrohr brach am Sonntagvormittag). Als Kinder hatte man über diese Gabe gestaunt, bis Beutels' wacher Gymnasiastenverstand herausfand, daß alle Weissagungen aus den Karten so allgemein gehalten waren, daß jedes Ereignis sich einordnen ließ. Von da an entzauberte er seine Mutter, legte auch einmal die Karten, sagte einen großen dunklen Mann mit traurigem Blick an … und eine Stunde später kam der Briefträger, groß, dunkel uniformiert, mit Hängeschnauzer, der seinem Gesicht unendliche Traurigkeit verlieh. Frau Beutels hatte es ihrem Ältesten nie verziehen … sie legte fortan nur noch Karten für sich selbst. Als sie weissagte, sie würde mit 51 Jahren sterben – das Kreuz-As lag neben der Herz-Dame und der Pik-Zehn –, nahm Beutels ihr die Karten weg und verbrannte sie im Stubenofen.
    Nicht anderes erwartete er jetzt von der Zigeunerkönigenkelin aus Smegörönömögie. Aber er wurde enttäuscht. Emma-Luise Schibulas krummer Zeigefinger blieb auf einer Karte liegen.
    »Was ist das?« fragte Beutels sofort.
    »Ein großer Teich, ein Meer, ein weites Wasser …« sagte die Schibula verklärt. Sie sprach, als sei sie in sich hineingekrochen.
    »Das ist Karo-As!« sagte Beutels. »Was Sie da liegen haben, wäre für 'nen Skatspieler eine komplette Karo-Flöte. Bringt zwar wenig, aber immerhin 'ne Flöte!«
    »Über den großen Teich kommt ein Mann. Ein Mann mit dunklen Absichten. Ein Mann, der töten will –«
    »Moment!« Beutels wurde munter. Er beugte sich über die Karten. Die Finger der Schibula wanderten weiter. Leises Murmeln. Vier-fünf-sechs-sieben-eins-zwei-drei-vier …
    »Viele Menschen haben Angst. Viele Menschen sind in Gefahr –«
    »Stop!« Beutels hielt die zählende und tippende Hand fest. »Erklären Sie mir das! Wieso sehen Sie, daß übern großen Teich ein böser Mann kommt?«
    »Ich sage das nicht … die Karten sagen es!« Emma-Luise Schibula sah mit umflortem Blick auf. »So war es vor drei Tagen, als ich die Karten ansah. Ich erschrak bis ins Herz. Eine große Katastrophe …«
    »Wo?«
    »Ich sehe es nicht.«
    »Wieso kommen Sie gerade zu mir? Sie wohnen doch in Braunschweig.«
    »Eine innere Stimme rief mir zu: Du mußt nach München fahren. Sofort. Zur Polizei.«
    Beutels rauchte seine Zigarre nicht zu Ende. Mit einer Handbewegung fegte er die Karten zusammen, mischte sie und teilte sie neu aus. Er legte sie in genau die Reihen auf, wie es die Schibula getan hatte.
    »Noch mal von vorn!« sagte er. »Ich habe etwas gegen innere Stimmen. Wie sieht's jetzt aus?«
    Emma-Luise Schibula betrachtete die Karten, klopfte mit dem Zeigefinger die Reihen herunter und lehnte sich dann mit fahlem Gesicht zurück.
    »Ein Mann mit dunklen Haaren wird Sie töten!« sagte sie stockend. »Jetzt können Sie mich ruhig einsperren – ich sage nur die Wahrheit!«
    Beutels sperrte die Schibula nicht ein … er ließ ihr im Gegenteil sogar das Geld für die Rückfahrt nach Braunschweig anweisen. Erst einen Tag später, als er die Weissagungen der drei miteinander verglich, wurde er stutzig. Ein paarmal kehrten die gleichen Worte wieder, Redewendungen, die unmöglich unter normalen Umständen in solch gleichlautender Form vorkommen konnten.
    »Sofort die Personalien überprüfen!« befahl Beutels. »Kinder, da haben wir einen herrlichen Bockmist gemacht. Das hätten wir gleich tun müssen.«
    Es zeigte sich, daß wieder einmal Beutels' Vernunft gewonnen hatte. Weder der Pendler aus Nürnberg noch der Astrologe aus Nieder-Olms noch die zigeunerstämmige Emma-Luise Schibula aus Braunschweig waren der örtlichen Polizei und den Meldebehörden bekannt.
    »Unser ›Hirn‹ entwickelte Humor«, sagte Beutels. Er lachte dabei, aber in seinen Augen lag soviel Gift, daß keiner mitlachte.

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