Die Drohung
hatte er die größte, ja eine fast geile Lust, mit beiden Fäusten auf sie einzuschlagen. »Wenn es ihm Spaß macht? Was regst du dich darüber auf?«
»Er ist wirklich fähig, es zu tun!«
»Na und?«
»Er ist fähig, einen Knopf zu drücken und Hunderttausende zu vernichten! Was ist das für ein Mensch?«
»Ein Idiot. Ein Satan. Ein Gottgesandter. Ein Prophet. Such's dir aus – mir ist ein Segelboot wichtiger.«
»Man sollte dich ersäufen«, sagte Cortone dumpf. »Einfach ersäufen, neben deinem verfluchten Segelboot. Weißt du, daß dieser Kerl mich jetzt in der Hand hat?«
»Ich verstehe das alles nicht, Darling.«
»Wie solltest du auch? Dein Hirn liegt zwischen den Beinen!« Cortone sprang auf. Er wollte zu Dulcan laufen, obwohl er wußte, daß Dulcan trotz seiner Intelligenz nicht anders reagieren würde als Lucretia. Ein Mensch, der jeden Sonntag in einer Kiste Dollars wühlen muß, um glücklich zu sein, lebt nicht weit von der Irrenzelle entfernt. Aber Cortone erreichte nicht mehr die Tür. Das Telefon schlug wieder an. Er blieb stehen, wie in die Dielen festgerammt, und rührte sich nicht.
»Es klingelt …« sagte Lucretia lieblich und pustete wieder gegen ihre lackierten Nägel. »Das ist er wieder, paß auf!«
»Der Raubtierinstinkt der Weiber! Natürlich ist er's!«
»Hast du Angst?«
Cortone hob ab. »Ja?« sagte er knapp.
»Noch etwas, mein Lieber.« Dr. Hassler schien gut gelaunt zu sein. »Ich habe einen Risikofaktor übersehen.«
»Interessant! Welchen denn?«
»Sie, Cortone!«
»Ich heiße Steven Olbridge.«
»Ich verlange den Impulsgeber nach Übergabe der 3. Million, also dann, wenn Ihr Geschäft beginnt.«
»Und warum, zum Teufel, Doc?« schrie Cortone. Er mußte schreien, sonst wäre er zerplatzt.
»Bei dem ständigen Kassieren könnten sich moralische Bedenken bei Ihnen bilden. Sie das Geld, ich die Explosion – das war unser Geschäft. Ich will verhindern, daß Sie ausbrechen, Mr. Olbridge. Daß Sie sich die Hose vollscheißen!«
»Wie sprechen Sie mit mir?« brüllte Cortone. »Was fällt Ihnen ein? Seit zehn Minuten weiß ich, daß Sie ein Irrer sind. Einer der gefährlichsten, nein, der gefährlichste Irre überhaupt, den die Menschheit hervorgebracht hat. Gegen Sie sind Attila, Dschingis-Khan und Hitler murmelspielende Kinder!«
»Darauf bin ich stolz, Mr. Olbridge. Und Sie werden mir helfen, dieser unvergleichliche Irre zu werden.« Dr. Hassler lachte hell. Cortone zog die Schultern hoch, als wolle jemand seinen Hals umklammern. »Ich stelle mich auf Ihre Charakteristik um. Kein Geld ohne Impulsgeber. Erst das Gerät, dann die Dollars. Ich habe den großen Zerstörern etwas voraus: Ich rechne die Risiken durch. Einen schönen Tag noch, Mr. Olbridge.«
Cortone starrte Lucretia an. Sie war im Begriff, sich ganz auszuziehen, vielleicht, um ihre Bitte nach einem Segelboot in einen Tausch umzufunktionieren. Es war ein Geschäft, bei dem sie sonst immer gewann. Ihr herrlicher Körper war mit keinen Schätzen aufzuwiegen.
»Wenn du Segelboot sagst, erwürge ich dich …« sagte er heiser.
»Es kann auch ein Motorboot sein.«
»Ich bin am Ende, Lucretia. Ist dir das klar?«
»Nein. Ein Mann ist nur am Ende, wenn er sich selbst aufgibt, sagte Hemingway. Gibst du dich auf?«
Cortone setzte sich schwer in einen Sessel am Fenster. Er kam sich wie ausgeleert vor. Maßloses Staunen über die dämliche Lucretia ergriff ihn, über dieses Wesen, das bisher nur Körper war, nur Wärme, nur schwellende Form, nur offener Leib, und die jetzt, als es darauf ankam, mit ihrem Mund, der nur Dummheiten hervorbrachte, das Richtige sagte.
»Hast du überhaupt Hemingway gelesen?« fragte er entgeistert.
»Nein.«
»Aber dieser Satz –«
»Stand auf irgendeinem Kalenderblatt.«
»O Himmel!«
Cortone verbarg das Gesicht in den Händen. Aber er war stark geworden. Er war bereit, gegen diesen Wahnsinnigen, der sich Dr. Hassler nannte, zu kämpfen. Nicht um sich oder seine 30 Millionen, sondern um Vernichtung oder Rettung von vielleicht 2 Millionen ahnungsloser Menschen.
Was allerdings nicht ausschloß, daß er seinen Einsatz von 3 Millionen Dollar zurückerstattet haben wollte.
Und hier sollte Maurizio Cortones Tragödie beginnen.
München
Warten, warten, warten.
Sich anhören, daß man nichts tue, daß man das Geld der Steuerzahler verfresse und verschlafe, daß es nicht zu verstehen sei, daß eine so vorzüglich durchorganisierte Polizei, verstärkt durch Experten des
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