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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Flucht aus diesem Nowo … Wie heißt das Nest?«
    »Nowo Tschemskij.«
    »… Tschemskij. Er muß in der Lagerliste doch mit seinem Namen als Geflüchteter verzeichnet sein. Dann kennen wir ihn endlich.«
    Lepkin lachte. Es klang nicht böse oder gar spöttisch – es war nur einfach fröhlich.
    »Lieber Towarischtsch Beutels, wie preußisch Sie denken! Lagerlisten mit Geflüchteten. Soll sich der Kommandant selbst ins Lager bringen? Nachdem man den Entlaufenen nicht mehr fand, hat man ihn abgebucht als tot. Das einfache Verfahren. Und nach dem Krieg sind auch diese Listen – wenn sie überhaupt korrekt geführt wurden – verbrannt worden. Wozu sie aufheben? Tote melden sich nicht wieder, und Zahlen sind immer Anlaß zu Mißdeutungen und Fragen. In Rußland geschehen noch Wunder … aber Sie verlangen Schöpfungen!«
    »Passen Sie auf sich auf«, sagte Beutels und hängte ein.
    Mehr war nicht mehr zu sagen.

Tutzing
    Am 16. Juli nahm Evelyn Drike, platinblonde und vollbusige Gattin des New Yorker Bierbrauers John Drike, im Starnberger See ein Bad. An ihrer Seite hechtete ein Herr Peter Hubbertz vom Steg ins Wasser, ein gut gebauter, kräftiger junger Mann mit braunen Haaren und Hundeblick, der seit vier Tagen Evelyn in ihren Tag- und Nachtwünschen betreute. Er kostete eine Million Dollar, aber das wußte nur Charles Pinipopoulos, der Peter Hubbertz fotografierte, wie er Evelyn Drike küßte und dabei ihre Brust streichelte. Bisher hatte Evelyn Drike auf ihrem Europatrip schon neun Millionen von ihrem Erbe verliebt, was Pinipopoulos zu einem Telegramm an den Ehemann anregte. Er bat um eine kräftige Anhebung der Spesen und des Honorars, da seine Aufgabe sehr gefahrvoll, aber auch äußerst erfolgreich sei. Er kündigte Mr. Drike große Ersparnisse an. John Drike reagierte schnell, wie es einem cleveren amerikanischen Geschäftsmann zukommt, und Pinipopoulos sah sich in das Geschäft seines Lebens gestellt.
    Er sprang mit elegantem Schwung hinter Peter Hubbertz in den See und schwamm etwas entfernt von dem Liebespaar herum, beneidete den Jungen, der unter Wasser Griffe klopfte, was Evelyn mit hellem Quietschen belohnte, und kraulte sogar so nahe an sie heran, daß er deutlich hörte, wie Evelyn Drike rief: »O Darling, Darling, du bist der wildeste Boy von Germany!«
    Pinipopoulos rümpfte die Nase und schwamm zum Ufer zurück. Er war kein Freund billiger Operetten. Aber als er an Land kletterte, verlor er alle Sauertöpfigkeit, ließ sich sofort ins Ufergras gleiten und tat so, als werfe er sich der Julisonne zum Garkochen hin.
    Hinter ihm, keine zehn Meter entfernt, lagen Ted Dulcan und Bertie Housman in Liegestühlen und genossen träge den heißen Tag. Eine Kühltasche stand neben ihnen, ein Klapptischchen mit Gläsern voll Fruchtsaft, zwei aufgeschlagene, mit den Seiten nach unten gelegte Taschenbücher, eine angerissene Packung Kekse … ein gutes, bürgerliches, braves Picknick.
    Pinipopoulos verzichtete darauf, Peter Hubbertz bei weiteren Abtastungen von Evelyn Drike zu beobachten. Dieser Fall war nun nur noch Routine, der Tatbestand des Ein-Million-Dollar-Ficks war erfüllt. Dulcan aber und seine lebende Kanone Housman bewiesen durch ihre Anwesenheit in Deutschland und dann noch in der näheren Umgebung von München, daß für sie die Olympischen Spiele nicht ein reines Sportereignis sein sollten. Selbst wenn man Dulcan unterstellte, daß er sich für den Sport zerreißen ließe und München aus Begeisterung an Wettkampfleistungen heimsuchte, mahnte allein die Gegenwart von Bertie Housman zu Nachdenklichkeit und Vorsicht. Um zu sehen, wer die Goldmedaille im Hundertmeterlauf gewinnt, nimmt man keinen Killer mit. Auch beim ›Preis der Nationen‹ ist das nicht üblich. Und beim Zehnkampf auch nicht.
    Pinipopoulos betrachtete Dulcan genau. Er schlief, den Strohhut halb im Gesicht, die Hände über dem Bauch gefaltet. Housman döste vor sich hin, hob ab und zu den Kopf und blickte einem gutgewachsenen Mädchen nach. Die anderen Badegäste in der Nähe Dulcans interessierten Pinipopoulos nicht, er kannte Cortone und Lucretia nicht.
    Nachdem er Dulcan zehn Minuten angestiert hatte, rollte er sich weg, bummelte zu den Umkleidekabinen, zog sich an und stieg in seinen Mietwagen.
    Pinipopoulos war sich nicht klar, ob er das Richtige tat, aber er fühlte so viel Solidarität mit seinen deutschen Kollegen, daß er sich auf der Polizeistation von Tutzing nach der Adresse der Münchner Kriminalpolizei erkundigte und

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