Die Drohung
zusammen, als habe ihn jemand gestochen, und legte seine Hand auf Holdens Arm. »Holden, die Baßstimme aus Berlin! Das Tonband! Ich hatte ein Brett vorm Kopf! Das ist sie! Bossolo ist bei der ›Dicken Emma‹ untergekrochen. Alle Kontakte laufen über sie. Himmelarschundzwirn … an alles hätte ich gedacht, nur nicht daran!«
»Und Cortone nennt sich hier Steven Olbridge. Ich weiß es seit heute morgen. Cortone hat sich Helga in aller Form als Steven vorgestellt.«
»Damit hätten wir das Netz geknüpft, in dem der Goldfisch zappelt«, sagte Beutels mit fetter Zufriedenheit. »Cortone – Bossolo - Emma … und mittendrin schwimmt unser ›Hirn‹. Ich habe das Gefühl, daß die XX. Olympischen Spiele in München ohne Atombomben eröffnet werden.« Er stand auf, als Emma Pischke im Hoteleingang verschwand. Der Kellner, der sie führte, zwei Köpfe kleiner als sie, wirkte wie die Beute, die ein Riesenbär mit sich schleppt. »Ich rufe meine Schäfchen zusammen.«
»Keine übereilten Handlungen, Sir!«
»Bin ich eine alte Jungfer, die einen Deflorator sucht? Ich lasse die Kneipe der ›Dicken Emma‹ überwachen. Weder sie noch Bossolo rühre ich an.«
»Und kein Wort zu Lepkin.«
»Warum nicht?«
»Stepan Mironowitsch hat seine eigenen Methoden. Es könnte sein, daß Bossolo nach einem Gespräch mit ihm nicht mehr als Zeuge zu gebrauchen ist.«
»Sie kennen Lepkin besser als ich. Also gut, es bleibt unter uns. Wo ist überhaupt Ihre verdammt mutige Braut?«
»Ich nehme an bei Cortone.«
»Und diese Lucretia?«
»Beim Friseur.« Holden grinste breit. »Ich treffe mich nachher mit ihr im Strandcafé.«
»Holden!« Beutels blieb am Tisch stehen. Diese Amerikaner, dachte er. Ihre Methoden sind ungefähr, als ob man ein Reibeisen zum Rasieren gebraucht. Aber sie kommen weiter damit, und sie haben sogar Freude dabei. »Wann haben Sie sich an das Weibchen geschlichen?«
»Gestern abend. Cortone hatte einen Mordskrach mit ihr. Ich war zur Stelle, als sie aus dem Hotel stürzte, um irgendeine Dummheit zu begehen. Die Dummheit war ich.«
»Und geradenwegs ins Bett, was?«
»Nein! Ich benahm mich als Gentleman. Nur ein Kuß war drin.«
»Das reichte?«
»Sie sind eben noch nicht von mir geküßt worden, Sir.«
»Das fehlte noch!« Beutels glänzte wie poliert. »Was sagt Helga dazu?«
»Sie hat mein Ehrenwort, daß Lucretia für mich nur bis zum Gürtel existiert.«
»Es kommt drauf an, von wo aus Sie messen! Glauben Sie, daß Sie mehr sagt als ›Oh, my darling‹!?«
»Bestimmt. Sie kocht wie Lava. Sie nennt sich hier Anne Simpson.«
Beutels drohte mit dem Zeigefinger und eilte dann ins Haus, um seine Leute zusammenzurufen. Er sah noch, wie Cortone die teppichbelegte Treppe herunterkam und mit deutlichem Erschrecken Emma Pischke betrachtete. Er winkte, sie gingen in ein Nebenzimmer, das als Leseraum bezeichnet war und jetzt, bei dem herrlichen Sonnenwetter, verwaist lag. Ein paar Zeitungen und Illustrierte, auf mehrere Tische verteilt, demonstrierten die Berechtigung des Namens ›Lesezimmer‹.
Cortone winkte zu einem Stuhl, und Emma Pischke setzte sich vorsichtig. Sie mißtraute allen Möbeln, die nicht in ihrem Lokal oder in ihrer Wohnung standen. Moderne Möbel sind so leicht gebaut – man hat den Eindruck, die Möbelfabrikanten haben noch nie dicke Menschen gesehen.
»Sprechen Sie deutsch?« begann Emma die Unterhaltung.
Cortone, von dieser Erscheinung noch immer überwältigt, sagte knapp: »No!«
»Dann will ick vasuchen, mir in Englisch auszudrücken. Bei mir verkehren ooch englische Künstler, von denen hab' ick wat aufjeschnappt. Also denn –« Emma Pischke schaltete auf Englisch um: »10.000 Dollar!«
Dollar sprach sie fließend aus … die 10.000 malte sie mit dem dicken Finger auf die Tischdecke. Cortone sah ihr fasziniert zu.
»No!« sagte er wieder.
»Für Bossolo!«
»Wo ist Bossolo?«
»Bei mir! Ich soll Kasten holen!« Emma zimmerte mit den Händen einen riesigen Kasten in die Luft, und Cortone verstand sie sofort. Er war durch Dr. Hassler informiert und schüttelte wieder den Kopf.
»Er soll selbst kommen!«
»Ick soll abholen.«
»No! Keine Dollar, kein Gerät, nichts. Ich will ihn selbst sehen.«
»Det is ne schöne Scheiße!« sagte Emma. Mit Englisch kam sie hier nicht weiter. Der vornehme ältere Herr war ein sturer Hund. »Ick sach es ihm! Aba ick sach Ihnen ooch wat: Mir jeht nischt an, wat hier jespielt wird, aber mir jeht det Jeld wat an! Und det kriege ick.
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