Die Drohung
eine politische Angelegenheit geworden … die Spionage begann fieberhaft zu arbeiten, um einen Hinweis auf den Abnehmer zu erlangen. Jede Möglichkeit wurde ausgeschöpft … das weltumspannende Netz der Spionage – heute nennt man es vornehm Nachrichtendienst – begann, wie elektrisch geladen zu knistern.
Aber es knisterte umsonst.
Kein Hinweis, keine Spur, nicht einmal eine Ahnung.
»Irgendein Zufall wird das Rätsel lösen«, sagte der Leiter der Untersuchung in Washington. »Vielleicht haben die Diebe gedacht, sie klauen Gold oder sonst was. Wer stiehlt als Privatmann Plutonium? Und wenn: Er muß die richtigen Abnehmer haben. Mit anderen Worten: Es hängen zu viele Personen dazwischen … einmal wird ein Loch entstehen, und wir wissen mehr.«
Die Hoffnung auf den großen General Zufall.
Sie trog. Es entstand kein Loch. Das Plutonium blieb verschwunden. Und die geheime Sache blieb auch bestehen. Nie erfuhr jemand – außer dem kleinen Kreis der Betroffenen – etwas von diesem Diebstahl.
Aber auch heute noch fahren ungesicherte Lastwagen kreuz und quer durch die USA und transportieren A-Bombenmaterial.
Plutonium und Uranium.
Es ist so einfach, die Menschheit in Schrecken zu versetzen …
München
Es war die neunzehnte Sondersitzung, an der der Bundesinnenminister, der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, der Chef der ›Sonderkommission Olympia‹, der Münchner Polizeipräsident, Kriminalrat Beutels und einige Herren von Bundesnachrichtendienst, Bundesverfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst teilnahmen, als Oberkommissar Abels einen ›vorläufigen Bericht‹ vorlegte.
Ein magerer Schrieb, der nichts aussagte als das: Es erweist sich als unmöglich, eine versteckte Bombe in den Fundamenten des Olympiastadions zu suchen. Die einzige Möglichkeit, nämlich alle Fundamente rundherum aufzugraben, war eine utopische Idee. Außerdem hatte man dazu keine Zeit mehr.
»Fassen wir zusammen«, sagte Abels mit schwerer Stimme. Niederlagen einzugestehen ist immer eine niederdrückende Last. »Wenn es wirklich eine oder zwei Atombomben im Olympiastadion gibt, sind wir auf Gedeih und Verderb dem Verbrechen ausgeliefert.«
»Eine Bankrotterklärung!« rief der Innenminister. Abels nickte heftig.
»Ja!«
»Wir sind den Erpressern wehrlos ausgeliefert? Wir müssen uns der Drohung beugen?«
»Das zu entscheiden, übersteigt meine Kompetenzen.« Abels setzte sich. Die vergangenen Tage hatten ihn sichtlich erschöpft. Er hatte ein zerknittertes Gesicht bekommen, überzogen mit einer ungesunden, gelblichen Farbe. Die Galle. Ärger ließ sie überlaufen, wie man so schön sagt. Seine Nerven flimmerten. Wenn man nichts, aber auch gar nichts zu bieten hat, während alles von einem erwartet wird, so ist das eine Belastung, der kaum ein Mensch gewachsen ist. »Wir können nur wählen zwischen Zahlung der 10 Millionen Dollar oder zwei Atompilzen über München.«
»Sie sind verrückt«, sagte der Innenminister geringschätzig. »Ich bleibe bei meiner Ansicht, das ist ein übler Scherz. Eine linksradikale oder rechtsradikale Gruppe, die die Spiele des Friedens stören will. Ich warte jetzt nur darauf, daß irgendeine Information an die Presse geht … dann sehen wir völlig klar. Verunsicherung des Volkes und aller Olympiateilnehmer. Natürlich wird es Mühe kosten, die Harmlosigkeit dieser Drohung zu beweisen, aber letztlich wird nie eine Bombe hochgehen.«
»Außerdem, wer soll die 10 Millionen Dollar bezahlen?« fragte Beutels in die Runde.
Das war typisch Beutels. Während alle sich in weitem Kreis um die Sache herumdrehten, hackte er in die Mitte. Der Polizeipräsident blickte ihn strafend an.
»Darüber habe ich vorsorglich eine Expertise anfertigen lassen.« Der Innenminister klappte eine dünne, rote Mappe auf. »Ein Gutachten der Professoren Hahnbach, Zinnoweiß und Nemath. Staatsrechtler mit internationalem Ruf. Sie kommen zu dem Schluß, daß – ich zitiere – ›die Olympischen Spiele eine Vereinigung aller an den Spielen beteiligten Völker sind. Da nicht Deutschland als Gastland mit der Drohung erpreßt wird, sondern die Olympischen Spiele als Gesamtheit, die Betroffenen also nicht allein deutsche Staatsbürger sind, sondern sich aus allen Beteiligungsstaaten zusammensetzen, wäre eine Zahlung der Erpressungssumme Angelegenheit einer von allen Staaten gebildeten Interessengemeinschaft zur Erhaltung der Olympischen Spiele. Deutschland als Gastland hat zwar für die Sicherheit
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