Die Drohung
Telefon hockte und das Gift verdaute. Darin sind wir uns einig, Ted. Stammen wir nicht aus dem gleichen Dreck von Randazzo?
»Bevor wir nach München fliegen, Jack«, sagte am Morgen Cortone zu Platzer, »müssen wir die Sache Dulcan ins reine bringen. Ich kann mir keinen Zweifrontenkrieg leisten. An so was sind Caesar, Napoleon, Kaiser Wilhelm I. und Hitler gescheitert. Die Geschichte wird zu dem Zweck geschrieben, daß man daraus lernt. Nur, die meisten können die Geschichte nicht lesen.«
Er strich sich über die rotgeränderten, übermüdeten Augen, seufzte tief und ging hinunter in seine Sportschule, um in dem großen Swimmingpool ein paar erfrischende Runden zu ziehen.
Chiemsee
Alles war vorbereitet.
Da die Übergabe der 100.000 Dollar in kleinen, gebrauchten Scheinen auf dem Chiemsee, also außerhalb des Befehlsbereichs des Münchner Polizeipräsidenten, stattfinden sollte, hatte die ›Sonderkommission Olympia‹ den delikaten Auftrag übernommen. Allerdings war der Stab dieser Kommission zu einem unförmigen Wasserkopf angeschwollen, in dem eine Menge gegensätzlicher Gedanken herumschwammen. Das bereitete Oberkommissar Fritz Abels mehr Sorgen als die beiden in den Fundamenten des Olympiastadions angeblich versteckten Atombomben.
Gleich nach Bekanntwerden der konkreten Angaben des Erpressers legten sich alle an der Aufklärung des noch immer unglaubwürdigen Falles beteiligten Dienststellen mächtig ins Zeug. Der Bundesverfassungsschutz schickte neun neue Experten, der Militärische Abschirmdienst rückte mit Offizieren in Zivil an, der Bundesnachrichtendienst ordnete einige Spezialisten ab. Wertvoll war allein die Hilfe von Kriminalrat Beutels: Er schickte sieben Froschmänner der Polizeischwimmstaffel München an den Chiemsee.
Die Sonderkommission wuchs auf Kompaniestärke an.
Oberstaatsanwalt Dr. Herbrecht, der alle Meinungen anhören und koordinieren sollte, war am Verzweifeln. Die Beschaffung der 100.000 Dollar in gebrauchten Scheinen war schon auf Schwierigkeiten gestoßen. Die Deutsche Bundesbank stellte den Betrag nur gegen eine Bürgschaft der Regierung in Bonn zur Verfügung, was bedeutete, daß der Innenminister auch den Finanzminister einweihen mußte.
Endlich konnte eine Staffel von drei Hubschraubern aufsteigen und das Geld zum Chiemsee bringen. In drei wasserdichte Plastiksäcke verpackt, wurde es auf den Boden des kleinen Motorboots gelegt. Dann hielt sich ein Kommando der Polizei für die Nacht bereit.
Beutels besichtigte noch einmal das Boot und schüttelte den Kopf. Für ihn war es unbegreiflich, wie ein Mensch, der Atombomben begraben kann, sich so dilettantisch in eine Falle locken läßt.
»Hier stimmt etwas nicht«, sagte er zum wiederholten Mal, aber seine Zuhörer waren viel zu erregt, um ihm zu folgen. »Ich habe das Gefühl, wir machen uns lächerlich. Was liegt uns vor? Drei Briefe! Eine Drohung, deren Umsetzung in die Tat alle Phantasie übersteigt. Aber Beweise? Wo sind Beweise? Nehmen wir an, das ist ein ganz übler Streich linksgerichteter Studenten.«
»Beutels, ich weiß, Sie haben was gegen die Langhaarigen.« Oberstaatsanwalt Dr. Herbrecht wirkte um Jahre gealtert. Wenn er so weitermacht, dachte Beutels, hat er sich im August mumifiziert. »Was soll das für einen Sinn haben?«
»Wir bringen das Geld auf den See. Jemand holt es ab, natürlich, aber nicht allein. Nein, mit Blitzlicht, Kamera, Tonband – mit allem Trara! Je auffälliger, um so besser. Man wird unsere Froschmänner fotografieren, den ganzen Riesenaufwand, den wir hier loslassen, man wird sich verhaften lassen … aber: Eine Ohrfeige für uns alle steckt darin! In großer Aufmachung wird man berichten, daß die Regierung bereit war, sich durch eine Drohung erpressen zu lassen, daß sie 10 Millionen Dollar auf den Tisch legen wollte, daß sie an einen Humbug wie Atomsprengsätze im Fundament des Olympiastadions glaubte, daß es also verhältnismäßig einfach ist, mit Hilfe des großen Grauens, der panischen Angst und der Ausnutzung einiger technischer Möglichkeiten, Millionen aus der Staatskasse herauszuholen. Mit anderen Worten: Unsere Sicherheit ist gleich Null! Eine clevere Gangsterclique kann die Welt das Fürchten lehren. Verdammt, wie beschämend ist das!«
»Und das fällt Ihnen erst jetzt ein?« fragte Fritz Abels konsterniert.
»Ja. Diese Geldübergabe, die wir hier exerzieren, ist so primitiv, daß dahinter nur eine Blamage für uns alle stecken kann. Das brachte mich auf diesen
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