Die Drohung
spielte unterdessen unter Wasser Katz und Maus mit fünf Froschmännern. Es war ihm klar, daß er nicht entwischen konnte, es war auch nicht sein Auftrag, das zu versuchen, aber es machte ihm Spaß, seine Künste zu zeigen, alle Tricks, die man in Cortones Schule beigebracht bekommt, um im Ernstfall Haien oder Barrakudas zu entgehen, wenn man harmlos – zum Beispiel zwischen den zahllosen Bahamas-Inseln – herumschwimmt und buntglitzernde Fischschwärme beobachten will.
Immer wieder schwamm er Haken, tauchte weg, schoß kerzengerade empor und ließ sich absinken. Als er sich schließlich rettungslos eingekreist sah, tauchte er auf und schwamm gemütlich auf die rundherum aus dem Wasser wachsenden Köpfe zu. Das volle Scheinwerferlicht beleuchtete sein lachendes Gesicht.
»Nix Gewalt, Kamerad!« schrie er, als er einige CO 2 -Pistolen auf sich gerichtet sah. »Bin friedlicher Mensch und guter Freund …«
Unter dem Geleit der fünf Froschmänner schwamm er hinüber zur Insel. Zwei andere Polizeischwimmer kletterten in das Boot und bewachten die Säcke mit 100.000 Dollar.
Winkend, sich den Kopfgummi abziehend, stapfte Bossolo an Land. Verblüfft sah er, daß ein zweiter Mann, in einem Netz verknotet, an das Ufer gezogen wurde. Mißtrauisch betrachtete er den Unbekannten. War das die Stimme aus dem Englischen Garten? Lagen dort seine 10.000 Dollar im Netz?
Er entschloß sich, mit dem zweiten nichts zu tun zu haben. Das breite, fast kindhafte Lachen kehrte auf sein Gesicht zurück. Er ging geradewegs auf Beutels zu.
»Gutten Abend«, sagte er höflich. »Wassär ist kalt, brrr …«
»Du meine Fresse!« stöhnte Beutels und suchte mit fliegenden Fingern nach einer Zigarre. »Ein Italiener! Ich ahne Fürchterliches.«
Zehn Minuten später hatte Beutels den Fang im Chiemsee sortiert.
»Den einen kenne ich«, sagte er zu Fritz Abels und den ihn umringenden Herren der Sonderkommission. Er nickte hinüber zu Hans Bergmann, der schwer atmend auf der Erde saß. »Der ist Reporter. Hat mich dreimal interviewt! Harmlos, aber jetzt wird er ein brennendheißes Problem: Die Presse hat Wind bekommen! Unsere völlige Geheimhaltung ist durchlöchert. Gott im Himmel – wenn das alles in der Öffentlichkeit bekannt wird!« Er blickte zu Pietro Bossolo, der genußvoll eine Zigarette rauchte und den Polizeitauchern erklärte, wie man unter Wasser Saltos drehen kann. »Den andern macht mal fertig für ein Verhör ohne Gnade. Haben Sie etwas dagegen, wenn wir das auf meiner Dienststelle praktizieren?«
Er sah Abels und Dr. Herbrecht an. Die nickten wortlos. Sie waren enttäuscht, als hätten sie, die großen Angler, einen alten Schuh am Haken.
»So wie er sich benimmt, scheint alles wirklich nur ein verdammt makabrer Witz zu sein«, sagte Abels sichtlich bedrückt. »Vielleicht sogar von der Presse angeheizt, ausgeknobelt, bezahlt. Eine manipulierte Sensation.«
»Nein.« Beutels ließ sich Feuer geben. Die Kenner im Kreise konstatierten: Eine Brissago-Zigarre. Es wurde ungemütlich. »Unser noch immer unsichtbarer Gegner hat jetzt seinen größten Fehler begangen. Sie werden es bald sehen, meine Herren. Nur eines weiß ich jetzt ganz sicher: Die verdammte Drohung ist blutiger Ernst!«
New York
»Sie sagen, es sei gelungen«, funkte Maurizio Cortone in den klaren Frühlingshimmel. »Was heißt gelungen?«
Über Nacht war New York erblüht. Warmluftströmungen drängten sich in die Häuserschluchten, die Sonne war an einem lichtblauen Himmel aufgegangen, die Betonklötze, im Winter und vor allem bei graurieselndem Regen bedrückende Steinwände, die das Gemüt eines empfindlichen Menschen mit Platzangst belasteten, erhielten etwas Schwebendes, Leichtes, unerklärlich Schönes … die ganze Riesenstadt verwandelte sich in dem einen Augenblick, als über ihr die blaue Unendlichkeit aufriß.
Cortone hatte an diesem heiteren Morgen nur die Antenne ausgefahren, der große Auffangschirm blieb zusammengeklappt. So waren die Signale auch nur schwach, aber das genügte für die wenigen Codeworte.
»Bossolo ist verhaftet worden.«
»Ein ungeheurer Erfolg!« Cortone knirschte mit den Zähnen. Er übersah noch nicht die Absichten dieses geheimnisvollen Dr. Hassler aus München-Solln, aber er bereute es in diesem Moment gewaltig, sich mit ihm überhaupt in eine Partnerschaft eingelassen zu haben. Die Grundidee dieses unter Garantie verrückten Arztes war blendend … man hätte sie still verwerten sollen, ohne sich weiter um ihn zu
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