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Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Titel: Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Frydrych
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auch obskure Verhaltensweisen hatte. Täglich schrieb ich meiner Freundin ellenlange Briefe. Dabei sahen wir uns täglich in der Schule und telefonierten nachmittags stundenlang. Zum Ärger meines Vaters. Damals pflegte man so zwei, drei Freundschaften und nicht 700. Meine Freundin und ich hatten uns stets so viel mitzuteilen, dass wir die Anfangsgründe von Chemie und Physik völlig verpassten. Diese Schulfächer blieben uns auf ewig ein Rätsel. Unsere Briefe sind glücklicherweise nicht erhalten geblieben. Außer meiner Freundin hat sie niemand zu Gesicht bekommen! Hoffe ich. Das wäre mir heute noch peinlich.

Nicht bei uns! Heimweh nach Köln
    R osenmontags befällt den Kölner Kollegen immer heftiges Heimweh. Er ruft dann in der großen Pause seine alte Schule an und lauscht sehnsüchtig dem Anrufbeantworter: »Alaaf, hej es Karnewall. Mir sain bei de Kappensitzung!« Auf Hochdeutsch: »Guten Tag, wir haben jetzt zwei Tage schulfrei und feiern Karneval, bis der Arzt kommt.«
    In Berlin wird am Rosenmontag und Faschingsdienstag gearbeitet! Darüber hinaus haben sie uns den Bußtag und den 17. Juni geklaut! Der Kölner Kollege wirft ein paar Kamellen auf den Schulhof und beginnt einen Exkurs über die politische und religiöse Bedeutung des Karnevals. Eine neue Kollegin aus Basel erklärt gravierende Unterschiede im Faschingsbrauchtum. Kollege Stump hat vor 30 Jahren sein Referendariat in Pirmasens gemacht und steuert weitere Absonderlichkeiten aus der fünften Jahreszeit bei. Als er das Lied von der bunten Feder und dem schönen weißen Arsch anstimmen will, klingelt es.
    Der Kölner Exilkollege eilt mit 20 Pfannekuchen in die Oberstufe. Dort lässt er heute Büttenreden analysieren und den Düsseldorfer vom Mainzer Humor abgrenzen. Die Kunstlehrerin aus Rottweil schnitzt mit ihrer 7. Klasse hölzerne Masken und vertreibt damit im Einkaufszentrum böse Geister. Eine Mutter beschwert sich beim Schulleiter über solche heidnischen Aktivitäten.

    Im Dienstbericht des Kölner Kollegen steht, dass er wenig Integrationsbereitschaft zeigt. Im Gegenteil, er möchte anderen seinen Sozialisationshintergrund aufzwingen. Dabei bilden wir karnevalsfernen Berliner die Mehrheitsgesellschaft. Die hiesige Zielkultur ist das narrenfreie Preußentum! Als tolerante Großstädter lassen wir den Zuwanderern allerdings ihr kulturelles Erbe und ihre befremdlichen Traditionen, solange wir nicht mitschunkeln und uns verkleiden müssen.
    Wir tragen es mit Fassung und beruhigen irritierte Schüler, als über den Schullautsprecher am 11. November ein kerniges »Helau« zu hören ist. Wir reagieren gelassen, als der Kölner vor einer Dienstbesprechung Tröten und Hüte verteilt und alle abküsst. Die Grenze ist aber überschritten, als er beim Tagesordnungspunkt »Mitteilungen« eine Büttenrede in Versform und im Dialekt seiner Heimat hält. Als wir nur gequält lächeln, wirft er uns vor, wir würden zum Lachen in den Keller gehen. Der Schulleiter ist sprachlos und lässt ihn gewähren. Aber seither gibt es an den närrischen Tagen keine offiziellen Termine mehr.
    Dafür hat der Kölner die beiden Schulsekretärinnen infiziert. Sie jagen mit ihren Büroscheren Männer durchs Gebäude und schneiden Schlipse ab. Kollege Stump verliert die Hälfte seiner teuren Seidenkrawatte, ein sensibler Schüler muss mit einem Schock ins Krankenhaus. Die jüngere Sekretärin hat sich als Funkenmariechen beworben. Angeblich gibt es in Berlin über 20 Karnevalsvereine. Das Casting dort ist strenger als bei DieterBohlen. Die Beinlänge der Schulsekretärin entspricht leider nicht dem Gardemaß.
    Um mich für diese Glosse in Stimmung zu bringen, habe ich im Fernsehen etliche Karnevalssendungen angesehen. Anfangs war ich noch verstört. Elf bierernste Männer mit seltsamen Mützen saßen auf einer Bühne. Ihre Büttenreden und Moderationen erfüllten ausnahmslos den Tatbestand der Körperverletzung. Das Publikum (Indianer, Kardinäle und Vampire) amüsierte sich köstlich. Ob die dafür Geld bekommen, dass sie lachen?
    Unter Zuhilfenahme einer Flasche Sekt musste ich zweimal schmunzeln. Nach der zweiten Flasche Sekt tanzte ich eine Polonaise durchs Wohnzimmer und unterstützte die Sprechchöre im Fernsehen mit »Kokolores!« – »Kikeriki!« Mein Partner hörte am Schreibtisch meine fröhlichen Rufe und gesellte sich zu mir. Er hielt die Zeit für gekommen mir zu gestehen, dass er früher in der Eifel Karnevalsprinz gewesen sei und den Bürgermeister

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