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Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Titel: Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Frydrych
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ist dahin. Viele sehen wie ihre Eltern aus, nur dicker. Sie tingeln in der Welt rum und stellen Bilder von ihren Kindern, Hunden und Tätowierungen ins Netz. Ein wenig erschreckt mich die Mail, die mein ehemaliger Schüler Titus mir schickt: »Sind Sie etwa immer noch Lehrerin?« Titus betreibt jetzt ein Geschäft für Sportlernahrung. Der schüchterne Andreas teilt mit, er sei Theaterleiter geworden. Ich frage: »Welches Theater?« Er nennt ein Berliner »Filmtheater« und mein Neid verflüchtigt sich.
    Nach einem Jahr habe ich alle Kontaktmöglichkeiten dieser Website genutzt. Außerdem ist die ganze Welt bei Facebook registriert. Na, da geht erst mal die Post ab. Ständig erhalte ich »Freundschaftsanfragen« aus meiner jetzigen Anstalt. Manche Anfrager kenne ich gar nicht. Mit einem Knaben habe ich in den Pausen nur Ärger, weil ich ihn immer wieder von Rangeleien abhalten muss. Er möchte mein Facebook-»Freund« sein. Eine Ex-Schülerin, die dem Unterricht nur unregelmäßig beiwohnte, hat die Schule verklagt, weil ihr einige Zensuren zu ungerecht (d.h. realistisch) waren. Das Verfahren läuft noch. Jetzt lädt sie mich in ihren intimen Zirkel bei Facebook ein. Ein einziger Klick, und ich kann sie ausallen Perspektiven im Bikini betrachten. Sandra aus der Oberstufe hat über 700 Freunde. Wie pflegt man so ein reiches soziales Netz???
    Das geht mit öffentlichen »Pinnwänden«. Da stellt man für seine Freunde, Fans und andere Voyeure gewaltige Prosa ins Netz. Der Leser kommentiert mit »Hahaha«, »Du Vollpfosten« oder »Gefällt mir«. Ungeniert legen meine Schüler und Schülerinnen ihr Liebesleben offen. Isabel aus der 8. Klasse schreibt: »Du blöder Arsch, ich habe dir alles gegeben und du verlässt mich wegen dieser Tussi! Ich hasse dich!« Rani schreibt Aphorismen. Jeden Tag schenkt er seinen Lesern einen Sinnspruch über die Liebe. So in dem Stil: »Hasse mich, verlasse mich, zerstöre mich, aber sag nicht, dass du mich liebst.« Lena notiert bei Facebook, was sie gerade so macht: fernsehen, Pizza essen oder duschen. Sie plant außerdem einen Käsekuchen und ein neues Piercing. Lena will nächstes Jahr Abitur machen und Psychologie studieren.
    Mädchen, die in Deutsch schüchtern vor mir sitzen, mutieren in der virtuellen Welt zu lasziven Vamps, die lüstern aus der Wäsche schielen. Katja präsentiert der geneigten Öffentlichkeit 160 solcher Fotos. Ihre Eltern haben der Schule strikt verboten, Bilder auf die Homepage zu stellen, auf denen ihre Tochter zu erkennen ist. Auf jedem Gruppenfoto muss Katja unkenntlich gemacht werden. »Wissen deine Eltern eigentlich, dass man dich bei Facebook ausführlich ansehen kann?«, frage ich sie. »Ach, surfen Sie heimlich?«, fragt Katja empört. »Aber Kind, du bist im Netz für jeden frei zugänglich.«
    Jonathan platziert stündlich neue Fundstücke auf seiner Facebook-Pinnwand: kurze Videos, in denen Leute von Sprungschanzen und Hausdächern fallen, Witze bedenklichen Niveaus und Fußballergebnisse. Milan »postet« montags ergriffen, wie besoffen er am Wochenende war.
    Bei Facebook sammeln viele Anbieter Kontaktdaten. Meine Schüler rücken sie bereitwillig raus, indem sie sich »Küsschen«, »Geschenknüsse« und »ein Lächeln« schicken. Auch mein Postfach wird mit Einladungen und Umfragen zugemüllt. Zum Beispiel könnte ich auf einem Link herausfinden, ob unsere Schulsekretärin mich für einen Arsch hält. Das steht da wirklich. Ich frage sie am nächsten Morgen und sie ist entsetzt. Nie hat sie eine solche Meldung ins Netz gestellt.
    Als pädagogische Missionarin kann ich es nicht lassen, zwei Schülerinnen privat eine Mail zu schreiben, warum sie sich so bloßstellen. Ihre Bilder und Mitteilungen würden für immer im Netz zu finden sein, auch für künftige Arbeitgeber. Sie antworten mir auf Facebook: »Hm, kann sein« und machen im Schulgebäude einen Bogen um mich, weil ich außerdem noch angefragt habe, ob sie nichts Besseres zu tun hätten. Wenn ich als Lehrerin genug »Medienkompetenz« hätte, würden meine Schüler natürlich alle viel lieber Shakespeare lesen und Wandteppiche weben.
    Mein Partner knurrt beim Betrachten all dieser Facebook-Profile: »Wie gut, dass man die Jugendlichen mitdiesem medialen Quatsch von den wahren Problemen der Welt fernhalten kann. Wer die ganze Zeit nur postet, wo ihm ein Pickel wächst, wird sich weder für Atommüll noch für den Afghanistan-Krieg interessieren!«
    Ich verschweige ihm, dass ich mit vierzehn

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