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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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Kleinste vorbereitet. Wyland spielte nervös mit seinen Fingern. Sein Blick wanderte zu Albrecht hinüber, der ihm fast unmerklich zunickte. Der aus fünfzehn Männern bestehende enge Rat war ebenso vollzählig erschienen wie die Mitglieder des weiten Rates mit zweiundachtzig an der Zahl, die beiden Bürgermeister nicht mit eingerechnet, um dem Bericht des Henkers zu lauschen, der die peinliche Befragung an den vier Aufrührern hatte vornehmen sollen. Cornelius’, Albrechts und Wylands Plan sah vor, dem Verräter in ihren eigenen Reihen weiszumachen, dass die Befragung wie geplant stattgefunden hatte.
    Egidius sah der Sitzung in freudiger Erwartung entgegen. Nicht mehr lange, dann würde der Tod des Predigers offiziell bekanntgegeben werden, und die Sache am Dom wäre damit endgültig für ihn ausgestanden. Er wunderte sich, dass die Ratsmänner um ihn herum noch immer glaubten, nun das Ergebnis der Befragung zu erfahren. Wusste er doch von Helme nur zu genau, dass der Abschaum den Namen seines Auftraggebers mit ins Grab genommen hatte.
    Endlich könnte das Judenthema wieder in den Vordergrund gerückt und die Stimmung weiter angeheizt werden. Wer von den Spitzhutträgern an seinem Leben hing, würde über kurz oder lang die Stadt verlassen oder hatte es bereits schon getan. Heute, so spürte Egidius, war endlich der Tag gekommen, an dem sich für ihn alles zum Guten wenden würde. Für den Abend plante er bereits einen Besuch im Hurenhaus, zu dem er seine Kumpane einladen würde. Den könnte er sich nunmehr wieder leisten, nachdem er einen Großteil seiner Schulden nicht mehr zurückzahlen musste. Der Gedanke erfüllte ihn mit Genugtuung. Viel zu lange schon hatte er auf diese und ähnliche Vergnügungen verzichten müssen, nur weil ihm irgendwelche jämmerlichen Gestalten die Geschäfte verdorben und ihm damit das Leben verwehrt hatten, das zu führen ihm zustand.
    Er warf seinem verhassten Bruder einen Blick zu. Cornelius, dieser widerliche Hundsfott, würde schon noch zu spüren bekommen, was es hieß, wie eine armselige Kröte dahinvegetieren zu müssen, sobald er, Egidius, wieder mehr Macht in der Stadt hätte.
    Voller Vorfreude rieb er sich die Hände.
    Die Unterhaltungen waren auffallend gedämpft. Das übliche lautstarke Gebaren der Ratsherren blieb heute aus. Kaum dass Johann Overstolz von Efferen sich räusperte, verstummten auch die letzten Geräusche.
    »Wir sind heute zusammengekommen, um vom Henker das Ergebnis seiner peinlichen Befragung der vier Aufrührer, die da heißen Berthold und Walburgis sowie Hugo und Rainhard, zu erfahren. Da jeder der Anwesenden mit dem Fall vertraut ist, erspare ich euch und mir, die Anklageschrift erneut zu verlesen.« Er gab dem Büttel am Eingang zum Saal einen Wink. »Der Henker möge eintreten.«
    Kaum hatte der Büttel die Tür geöffnet, als auch schon ein großer Kerl mit massigen Schultern hereingeschlurft kam. Er hatte etwas Furchteinflößendes an sich, selbst wenn man nicht gewusst hätte, welches Amt er in der Stadt ausübte.
    »Tritt hier in die Mitte!«, wies der Ratsvorsitzende ihn an.
    Der Mann tat wie ihm geheißen, ohne seinen Schritt zu beschleunigen.
    Wyland betrachtete ihn. Er hoffte, dass der Henker sich an die Absprache halten würde, war sich dessen jedoch nicht sicher. Hier und heute konnte alles Mögliche geschehen. Falls der Kerl auf den Gedanken kommen sollte, den Räten von Albrechts Drohung zu berichten, mit der dieser ihn zur Falschaussage gedrängt hatte, würden ihr Freund, Cornelius und er selbst in großen Schwierigkeiten stecken. Doch sie hatten diese Gefahr eingehen müssen. Wyland wusste nicht mit endgültiger Sicherheit zu sagen, aus welchem Grund – wenn nicht aus dem des Eigennutzes – einzelne Bürger die Hetzjagd auf die Juden eröffnet hatten, doch war er sich sicher, dass diese Menschen nicht das Geringste mit dem Teufel zu schaffen hatten.
    »Und, Henker«, setzte der Vorsitzende erneut an, »hast du nun mit dem Pöbel sprechen können?«
    Egidius rutschte freudig auf seinem Stuhl hin und her, unfähig, noch länger still zu sitzen.
    Wyland hielt die Luft an.
    »Ja, Herr, das habe ich.«
    Beruhigt atmete Wyland aus und sah kurz zu Cornelius hinüber, der ebenso angespannt wie er auf seinem Stuhl saß. Der kurze Blickkontakt genügte, um einander die wechselseitige Erleichterung darüber zu versichern, dass der Henker aussagen würde, was Albrecht ihm aufgetragen hatte. Zufrieden verschränkte Cornelius die Arme vor der

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