Die Duftnäherin
mit gemächlichen Schritten zum Schiffsbug.
Anna überlegte kurz, ob sie noch eine Weile auf dem Boot verweilen sollte. Doch dann hielt sie es für besser, sich sofort auf den Weg nach Hause zu machen. Sie ging in Richtung Schiffsbug und sah sich nach dem Mann um.
»Habt Dank«, rief sie zu ihm hinüber, als sie ihn dort entdeckte, und winkte ihm zum Abschied zu.
»Warte!«, rief er ihr darauf zu und kam schnellen Schrittes auf sie zu. »Du brichst dir sonst noch den Hals, wenn du in deinem Kleid wieder von Bord kletterst.« Er hob ein langes Brett an, das unmittelbar neben der dem Kai zugewandten Bordwand auf dem Schiffsdeck lag, klappte eine Art Türchen in der Bordwand auf und schob das Brett von dort aus auf das Kai. »Bitte sehr, die Dame.« Er deutete schmunzelnd eine Verbeugung an.
Obwohl Anna seine Geste übertrieben fand, war sie doch froh über die Freundlichkeit, die der Fremde ihr erwies, indem er eigens eine Planke für sie auslegte, die sie sicher wieder an Land bringen sollte.
»Habt Dank!«, sagte sie nochmals und lief dann geschickt über das Brett auf das Kai, wo sie ihre Röcke raffte und so schnell sie konnte nach Hause lief. Erst als sie unmittelbar vor Margrites Kate stand, hielt sie inne und atmete erleichtert aus.
Auf Margrites Stirn zeigte sich eine tiefe Falte. »Und du kanntest ihn wirklich nicht?«
Besorgt hatte sie vernommen, was sich auf dem Marktplatz zugetragen hatte. Anna zitterte noch immer.
»Weder den Ratsherrn noch den Büttel habe ich je zuvor gesehen.« Sie schüttelte den Kopf. »Doch es war, als hätte mein Anblick den Ratsherrn fast zu Tode erschreckt.« Ihre Stimme wurde leiser. »Vielleicht ist er sogar gestorben. Jedenfalls verzog er zuletzt unter großen Schmerzen das Gesicht.« Anna machte auf die Seifensiederin einen so verstörten Eindruck, dass sie tröstend nach ihrer Hand griff und diese beruhigend tätschelte. Nachdenklich meinte sie dann: »Ich kann mir ebenfalls keinen Reim darauf machen.« Und nach einer Weile fügte sie noch wie zu sich selbst hinzu: »Du sagst, dass du noch nie zuvor in dieser Stadt warst und dass du dich auch sonst nirgendwo eines Verbrechens schuldig gemacht hast?«
Anna zögerte. Die Flucht aus dem Kloster kam ihr in den Sinn. Doch die konnte man ihr ja wohl kaum zur Last legen. Und sie hatte auch sonst nichts getan, womit sie sich ihre dortige Einkerkerung verdient hätte.
»Nein, ich habe nichts getan, Margrite. Wirklich nicht. Bitte glaub mir«, bat sie mit einem Flehen in der Stimme.
»Beruhige dich, ich glaube dir doch, dass du nichts getan hast. Und doch muss es einen Grund für das Verhalten des Ratsherrn gegeben haben.« Sie schluckte schwer, bevor sie ihren nächsten Gedanken aussprach. »Ich fürchte, du bist hier nicht mehr sicher.«
Anna zuckte zusammen. Sie schluckte und schloss die Augen. Der Gedanke, dass Margrite sie wegschicken könnte, machte ihr mehr Angst als die Erinnerung an den sie verfolgenden Büttel.
»Bitte …«, war alles, was sie hervorbrachte.
Margrite stieß einen tiefen Seufzer aus. Die Not ihrer Freundin machte ihr das Herz schwer. Aber Anna musste gehen, um ihrer eigenen Sicherheit willen, obwohl der Gedanke, sie vielleicht für immer zu verlieren, fast unerträglich war. Wie sehr hatte sie sich doch an die Gesellschaft der Jüngeren gewöhnt, sich über ihre Begeisterung, das Handwerk des Seifensiedens zu erlernen, gefreut und ihre Fröhlichkeit in sich aufgesogen.
Margrite straffte die Schultern und drückte Annas Hand. »Überleg noch einmal, was könnte der Ratsherr gegen dich haben? Woher kennt er dich überhaupt?«
Anna zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe ihn nie zuvor gesehen.« Sie klang verzweifelt.
»Welcher war es denn? Wie sah er aus?«
Anna beschrieb Margrite den Mann aus der Erinnerung heraus so gut sie konnte.
»Das muss der Alte von Goossen gewesen sein«, murmelte Margrite. »Würde auch zu ihm passen, dass er nach vorne getreten ist und Reden geschwungen hat. Außer dem Bürgermeister dürfte sich das sonst auch keiner trauen. Und der ist wiederum viel jünger als der Mann, den du mir gerade beschrieben hast.«
Worauf Anna Margrite erzählte, dass hinter dem ersten noch ein zweiter Ratsherr auf dem Podest gestanden hatte. Nachdem sie Margrite auch dessen Aussehen ausführlich beschrieben hatte, erklärte diese, dass es sich bei dem Mann wohl tatsächlich um Bürgermeister Doneldey gehandelt haben dürfte.
»Also«, setzte die Hauswirtin
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