Die Duftnäherin
Pause, um seinem Entsetzen und seinen Worten Wirkung zu verleihen. »Soeben berichtete mir mein Diener, dass Lambertus, der Schlüsselmeister, in meinem eigenen Hause verstorben ist.«
»Was?«, entfuhr es Albrecht. »Weshalb? War er etwa krank? Und warum hat er dich überhaupt aufgesucht?«
»Mein treuer Baldewin sagte, dass Lambertus sich mit letzter Kraft in mein Haus geschleppt hat, nachdem er Opfer eines Überfalls geworden ist.«
»Ein Überfall?« Nun war auch Wyland aufgesprungen. »Wer überfällt einen Schlüsselmeister? Um eine möglichst reiche Beute kann es dabei ja wohl nicht gegangen sein?«
»Nein«, stellte Cornelius klar. »Wie Baldewin mir weiterhin berichtete, ging es dem Attentäter um den Kerkerschlüssel, den er Lambertus geraubt hat.«
»Jemand, der nicht wissen kann, dass die Befragung schon stattgefunden hat, will verhindern, dass die Aufrührer reden können!« Einer der Ratsherren sprang nach vorne und streckte seine Faust gen Himmel. »Na warte, Bürschchen, dich werden wir schon dingfest machen.« Und ohne sich weiter mit den anderen Räten zu besprechen, brachte er den Bütteln gegenüber Befehle aus: »Schnell, eilt euch! Lasst die Wachen verstärken und vor allen Türen Posten beziehen.«
Egidius zuckte zusammen. Nun war es endgültig um ihn geschehen. Er begann, unkontrolliert am ganzen Körper zu zittern.
»Nur gut, dass wir die Gefangenen bereits befragt haben«, stellte Cornelius mit ruhiger, fester Stimme klar. »Sonst hätten wir den Namen des Verräters womöglich nie mehr erfahren.«
Egidius sah nicht auf. Er spürte auch so, dass der Blick seines Bruders auf ihm ruhte und sich wie ein glühendes Eisen durch ihn hindurchbrannte.
»Wo ist Lambertus’ Leiche?«, fragte der Ratsvorsitzende, nachdem er die Ruhe im Saal nach mehrmaligen Ermahnungen wiederhergestellt hatte.
»Noch in meinem Hause«, erklärte Cornelius.
»Dann werden wir zwei Büttel dorthin schicken, den Körper wegzuschaffen.« Er erhob sich. »Für heute, denke ich, haben wir genug erfahren. Henker, du hältst dich bereit, deine Aussage zu Protokoll zu geben. Und«, er sah die Anwesenden an, »wenn tatsächlich einer aus dieser Runde den Pöbel zu seiner Tat angestiftet hat, sollte er im Anschluss an diese Sitzung sofort in mein Amtszimmer kommen und sich mir erklären, bevor der Henker vor einem unserer Schreiber Platz genommen hat.« Wütend schob er seinen Stuhl zurück. »Es ist eine Schande für den hohen Rat! Eine Schande!«
Schnaubend verließ er den Saal.
Albrecht beeilte sich, gleich hinter dem Henker aus dem Saal zu kommen. Mit einem Wink gab er diesem zu verstehen, die Treppe hoch zu den dort befindlichen Schreibstuben zu gehen. Der begriff sofort, ging zur Treppe und nahm dann mit großen Schritten immer zwei Stufen auf einmal. Am oberen Treppenabsatz drehte er sich um. Albrecht stand unten, sah zu ihm hinauf und nickte. Als Cornelius und Wyland sich zu Albrecht gesellten, sahen sie den Henker gerade noch in den oberen Korridor treten, bevor er ihrem Blick entzogen war.
»So weit, so gut«, stellte Cornelius fest. »Es wird nicht lange dauern, bis die ausgeschickten Wachen die Leiche des Predigers im Kerker finden und der Rat aufs Neue zusammengerufen wird. Die des Schlüsselmeisters haben wir Gott sei Dank ja noch rechtzeitig in mein Haus bringen können. Wichtig ist nur, dass der Henker seine Aussage bis dahin nicht schriftlich wiederholt hat.«
Wyland nickte. »Wir müssen dem Verräter Gelegenheit geben, sich bei den Bürgermeistern zu melden.«
»Und den Henker vor einer Falschaussage bewahren«, fügte Cornelius hinzu.
»Dann los.«
Zu dritt hasteten sie die Stufen hinauf und hielten auf die Schreibzimmer zu, die sich im hinteren Teil des Korridors befanden. Nach einem kurzen Klopfen öffneten sie die erste Tür. Dort saß der Henker vor einem Tisch, auf dessen anderer Seite ein Schreibgelehrter soeben seine Aussage aufnehmen wollte.
»Was gibt es?«, fragte der Schreiber interessiert, ohne sich seine Verärgerung über die Störung anmerken zu lassen.
»Wir müssen wissen, in welche Zellen die Aufrührer eingesperrt worden sind. Außer dem Henker findet sich in den vielen Gängen da unten ja niemand zurecht.«
Der Schreiber legte seinen Federkiel beiseite. »Wenn das so ist, nehmen wir deine Angaben wohl später auf.« Seine Miene wirkte gleichmütig, als ob ihm die Unterbrechung nicht ungelegen komme.
Der Henker erhob sich ohne ein Wort und folgte den Ratsherren aus
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